Warnung vor dem Kollaps

FRAUENFELD. Die Thurgauer Bevölkerung wächst deutlich stärker als der Schweizer Durchschnitt. Die Zuwanderung bringt viele Vorteile, sollte aber gedämpft werden, sonst droht ein Absturz, lautet das Fazit des Kommunalforums der Kantonalbank.

Thomas Wunderlin
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Fabian Unteregger weist das Publikum dazu an, sich mit einer Schultermassage gegenseitig zu integrieren. (Bild: Reto Martin)

Fabian Unteregger weist das Publikum dazu an, sich mit einer Schultermassage gegenseitig zu integrieren. (Bild: Reto Martin)

Fabian Unteregger tat sich schwer damit, das Publikum am Kommunalforum der Thurgauer Kantonalbank im Casino Frauenfeld zu erreichen. Das Eis begann erst zu schmelzen, als er die 150 Zuschauer dazu anwies, sich gegenseitig die Schultern zu massieren. Der Komiker stellte befriedigt fest: «Die körperliche Integration ist gelungen.»

Leichter fällt die Integration der Zuwanderer im Thurgau und speziell in Kreuzlingen, wie Regierungsrat Kaspar Schläpfer feststellte. «Es gibt keine Unruhen, keine Ghettos.» Dabei ist die Bevölkerung stark gewachsen in den letzten zehn Jahren. Daniel Müller-Jenatsch, Projektleiter beim Think-Tank Avenir Suisse, lieferte die Zahlen. Der Thurgau ist seit 1990 um 25 Prozent gewachsen, was über dem Schweizer Schnitt von 20 Prozent liegt, auch über jenem von Zürich und St. Gallen. Der Auslöser war eindeutig die Personenfreizügigkeit mit der EU. Angezogen wurden die Zuwanderer von der blühenden Wirtschaft, die wiederum dank ihnen weiterwächst. Bei fast jedem Standortindikator schneidet die Schweiz gut ab. Müller-Jenatsch wies auf die besondere geografische Lage hin. Dank der Mehrsprachigkeit verfügt sie über einen Arbeitskräfte-Pool von 200 Millionen Personen in Deutschland, Italien und Frankreich. Als Schmelztiegel funktioniere die Schweiz besser als Deutschland und Österreich: «Die Integration ist eine Erfolgsgeschichte.»

Volksabstimmung als Gefahr

Das Wachstum bringt Nachteile mit sich wie Zersiedelung und teure Mieten. Das sei in Wachstumsregionen wie dem Grossraum München nicht anders. Als Gefahr bezeichnete Müller-Jenatsch, dass die Personenfreizügigkeit durch eine Volksabstimmung eingeschränkt werden könnte. Besser sei es, die Zuwanderung zu moderieren, etwa durch die Raumplanung. Er empfahl, verstärkt auf qualitatives Wachstum zu setzen. Seine Empfehlungen würden bereits umgesetzt, sagte Regierungsrat Schläpfer. Auch er fürchtet einen «Chlapf», der die positive Dynamik brechen würde. Das Problem sah er vor allem in der überlasteten Verkehrsinfrastruktur. Die öffentliche Hand sei nicht untätig. «Die Vignetten-Vorlage ist ein Beispiel.» Für Schläpfers Geschmack hatte der Avenir-Suisse-Ökonom die Vorteile der Zuwanderung zu wenig herausgestrichen. Zuwanderung sei viel besser als Abwanderung. Schläpfer erinnerte an die deprimierende Stimmung der Neunzigerjahre. Heute gingen Zuwanderer vor allem nach Kreuzlingen und Frauenfeld. Anders sehe es in Arbon und Romanshorn aus: «Dort ist man froh, wenn jemand kommt.»

Platz für weitere 50 000

Folgerichtig wünschte er sich für nächstes Jahr ein etwas geringeres Wachstum als 1,6 Prozent wie in den letzten Jahren, dafür regional besser verteilt. Auf längere Frist hat es im Thurgau laut Schläpfer Platz für weitere 50 000 Einwohner.