Thursicht
«Jösses nei», frohlockt es, wenn Leute verzückt in die Glotze gucken und sich eine herzerwärmende Tierdoku anschauen. Oder sie heulen Rotz und Wasser, wenn «Giraffe, Erdmännchen und Co.» zeigen, wie sozial Elefanten sind, weil die Mutterkuh Jahre nach dem Tod ihres Kalbes am selben Grasbüschel Halt macht. Und das Büsi, das die Feuerwehr aus dem Schacht rettet, ist zuckersüss.
Doch die selbst ernannten Tierliebhaber können auch Aggressionen entwickeln: Dieser skandalöse Hefenhofer, der seine Pferde misshandelte! «Wie kann man einem Tier bloss etwas antun? Das ist doch unter aller Sau.» Da haben wir es. Die Sau ist halt nicht so herzig wie das Büsi, drum kommt sie auf den Teller. Aber nicht nur die Elefantendame oder das gequälte, mit Druse infizierte Rössli sind sozial. Mutterkühe leiden genauso, wenn ihr Kalb ihnen zu früh weggenommen wird.
Das Huhn legt natürlicherweise nur 36 und nicht 330 Eier pro Jahr. Und, ach ja, männliche Hühner legen keine Eier. Nur zur Info. Bei denen ist bald Endstation im Häcksler, Schredder oder in der Gaskammer. Zwei Millionen Küken werden jährlich allein in der Schweiz vergast. Holocaust für Junghähne sozusagen. Klar, eigenhändig Tiere jagen oder metzgen will niemand. Beim Tierfilm ein Frühstücksei vom Legehuhn schlürfen oder in ein Wurstbrot aus Masthaltung beissen, ist aber in Ordnung. Das Fleisch im Kühlregal ist halt Produkt, nicht Tier. Man macht sich ja nicht die Finger schmutzig. Die braucht man, um auf andere zu zeigen.
Désirée Wenger
desiree.wenger@thurgauerzeitung.ch