THURGAU: Laienprediger wissen mehr vom Alltag als Pfarrer

Immer mehr Pfarrer werden pensioniert. Die evangelische Landeskirche begegnet dem Nachwuchsmangel mit Laienpredigern. Der pensionierte Pfarrer Peter Keller leitet die Ausbildung.

Larissa Flammer
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Pfarrer Peter Keller in seinem Zuhause in Birwinken. (Bild: Donato Caspari)

Pfarrer Peter Keller in seinem Zuhause in Birwinken. (Bild: Donato Caspari)

Larissa Flammer

larissa.flammer@thurgauerzeitung.ch

Reist ein Pfarrer in die Ferien, soll der Gottesdienst in seiner Gemeinde trotzdem stattfinden. «Es ist der Anspruch der evangelischen Landeskirche Thurgau, dass in jeder Gemeinde jeden Sonntag ein Gottesdienst stattfindet», sagt Peter Keller. Der pensionierte Pfarrer springt selber ab und zu ein, wenn ein Kollege abwesend ist. Gerade vertritt er den Pfarrer in Berg, der sich im Studienurlaub befindet. «Wir gehen aber auf eine Zeit zu, in der sich die katholische Landeskirche längst befindet», sagt Keller. Er meint damit, dass es immer weniger Theologiestudenten gibt und immer mehr Pfarrer pensioniert werden. «Wir sind auf Laienprediger angewiesen.»

Bereits zum zweiten Mal leitet Keller daher ab Oktober einen Ausbildungsgang für Laien. An acht Samstagen und einem Wochenende bringen er und weitere Experten den Kursteilnehmern bei, einen Gottesdienst zu gestalten. «Reich wird man damit nicht. Es gibt keine Anstellung für Laienprediger.» Sie dürfen keine Beerdigungen, Taufen und Hochzeiten durchführen, sondern einfach als Stellvertreter Sonntagsgottesdienste halten.

Motivation und Empfehlung sind Voraussetzung

Peter Keller ist ein «Urthurgauer», wie er selber sagt. «Ich bin in Birwinken aufgewachsen und wohne noch immer hier.» Nach dem Lehrerseminar hat Keller viereinhalb Jahre lang eine Mittelstufenklasse unterrichtet. «Um diese Erfahrung war ich immer sehr froh, gerade während ich Pfarrer war.» Er studierte danach in Basel und arbeitete bis zur Pensionierung nacheinander in Berg, Müllheim und Lengwil als Pfarrer. Der 68-Jährige und seine Frau haben zwei Söhne – von denen einer Kirchpräsident in Berg ist – und drei Enkelkinder. «Für die Laienpredigerausbildung bin ich vom Kirchenrat angefragt worden.» Der letzte Kurs ist bereits acht Jahre her.

Zurzeit sind im Thurgau ungefähr 25 Laienprediger im Einsatz. «Wir hoffen auf etwa 20 neue im aktuellen Ausbildungsgang», sagt Keller. Interessierte müssen ihre Motivation schriftlich darlegen, in einer Kirchgemeinde engagiert sein und eine Empfehlung des dortigen Pfarrers oder der Kirchenvorsteherschaft mitbringen. Die Ausbildung ist nur für Mitglieder der evangelischen Landeskirche Thurgau gedacht, weshalb auch das Diplom nur für die entsprechenden Kirchgemeinden gilt. «Der Kanton Zürich kennt zum Beispiel gar keine Laienprediger und im Kanton St. Gallen gibt es ganz andere Regelungen.»

Für die neue Laienpredigerausbildung haben sich bei Keller bereits auch Personen unter 30 Jahren gemeldet. «Manche sind Jugendarbeiter, die auch mal einen Gottesdienst gestalten wollen.» Viele sind Katechet oder in der Kirchenvorsteherschaft aktiv. «Wir haben die Pfarrer und Kirchgemeinden aufgefordert, passende Leute zu ermutigen.» Es brauche doch etwas Mut, vor der versammelten Gemeinde zu stehen. Etwa gleich viele Frauen wie Männer entschliessen sich dazu, Laienprediger zu werden.

So sollte man hinstehen und sprechen

Der Ausbildungsgang vermittelt keine Bibelkenntnisse. Dieses Wissen müssen die Teilnehmer mitbringen. «Wir bieten eine handwerkliche Schulung», erklärt Keller. Wie man hinstehen und sprechen muss, wie ein Gottesdienst aufgebaut wird, wie aus einem Bibeltext eine Predigt gemacht werden kann und wie man das Gesangbuch einsetzt. Auch die Thurgauer Kirchengeschichte wird thematisiert.

Den Vorteil von Laienpredigern sieht Keller darin, dass sie stärker am Berufsalltag der Bevölkerung teilnehmen. «Der Pfarrer sitzt oft in seinem Studierzimmer und erfährt so viel weniger von den Anliegen seiner gewöhnlichen Gemeindemitglieder.» Dass Laien die Bibel nicht so vertieft auslegen können wie ein Pfarrer mit seinem Hintergrundwissen aus dem Studium, ist für Keller nicht schlimm. «Es ist ein urreformatorisches Anliegen, dass auch Laien die Bibel lesen und verstehen können.»

Hinweis

Mehr Informationen zur Laienpredigerausbildung gibt es unter: www.evang-tg.ch/