Strahlen messen aus der Luft

In Güttingen wird seit über zehn Jahren die natürliche Radioaktivität gemessen – es ist eine von drei Referenzstationen in der Schweiz. Erstmals wurde dafür letzte Woche auch ein Helikopter eingesetzt.

Kaspar Enz
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Die Operateure der NAZ vor ihrem Messgerät im Super-Puma.

Die Operateure der NAZ vor ihrem Messgerät im Super-Puma.

güttingen. Die Rotoren drehen sich schneller und schneller. Im Superpuma wird es lauter. Langsam, aber sicher hebt der Helikopter der Schweizer Armee vom Militärflughafen Dübendorf ab. An Bord sind zwei Piloten und zwei Operateure der Nationalen Alarmzentrale (NAZ). Bald schon überquert die Maschine die Thur, der See wird sichtbar, bald ist der Super Puma über dem Ziel Güttingen angekommen.

Allgegenwärtige Strahlung

«Radioaktive Strahlung» tönt gefährlich, nach Kernkraftwerken und Atombomben. Doch sie ist allgegenwärtig – geringe Strahlung wird vom Untergrund abgegeben, je nach Gestein unterschiedlich stark. Diese terrestrische Strahlung sei deshalb in Graubünden oder dem Tessin deutlich höher als in Güttingen, sagt Flurin Simeon vom Informationsdienst der NAZ. Jeden Sommer misst die NAZ diese Strahlung an verschiedenen Orten. Im Vordergrund stehen dabei meist die grösseren Städte sowie das Umfeld der Kernkraftwerke.

Diese terrestrische Strahlung ist zwar nicht schädlich. Nur aus Spass fliegt die NAZ aber nicht, sagt Simeon. «Für uns sind diese Messflüge auch eine Übung.» Sollte ein Ernstfall eintreten, will man sicher sein, dass man die Geräte beherrscht und dass diese funktionieren. Ausserdem Erfahrungen sammeln und die Technik verbessern.

90 Meter über Güttingen

Über dem Zielgebiet tritt einer der Operateure in Aktion. Von einem Gerät liest er Daten ab und verzeichnet sie auf einem Blatt Papier. 90 Meter darunter liegt das zu messende Gebiet: Ein nicht ganz perfektes Rechteck von Rund zwei Quadratkilometern um Güttingen, zwischen Kesswil und Altnau. Der Super Puma fliegt jeweils das Gebiet in gerader Linie der Länge nach ab, dann wendet er.

Je nach Richtung sieht der Passagier aus dem Seitenfenster dabei fast gerade von oben auf Felder oder Wasser darunter, oder aber den blauen Himmel. Die Wendemanöver sind nichts für schwache Mägen. Es sei keine Schande, wenn es einem dabei schlecht werde, sagt Simeon. Nach dem Wendemanöver fliegt der Helikopter die nächste gerade Linie ab. Neun solcher Bahnen werden geflogen, siebenmal macht der Helikopter rechtsum Kehrt, dann geht es zurück nach Dübendorf.

Nur natürliche Radioaktivität

Der Flug letzten Donnerstag war das erste Mal, dass in Güttingen die Strahlung mit dem Helikopter gemessen wird. Schon seit über zehn Jahren ist Güttingen aber eine Referenzstation der Sektion Umweltradioaktivität des Bundesamtes für Gesundheit. Drei solche Orte gibt es in der Schweiz, sagt Sybille Estier, Leiterin der Abteilung.

«Güttingen eignet sich als Referenzstation, da es nicht in der Nähe von Kernkraftwerken oder Industrie liegt, die künstliche Radioaktivität erzeugen», sagt sie. Das BAG entnimmt hier auch regelmässig Bodenproben. Jedes Jahr werde wohl nicht mit dem Helikopter gemessen, sagt Estier. Die grossflächige Messung aus der Luft könne aber zusätzliche Informationen geben.

Kernstück der Radiometriemessungen aus der Luft ist ein Natrium-Jodid-Kristall, der im Boden des Helikopters montiert ist. Treffen die Strahlen auf den Kristall, erzeugen sie Licht, die von einem Fotosensor in Strahlenwerte übersetzt wird. Erste Ergebnisse gab die NAZ bereits Ende letzter Woche heraus. «Durchwegs normale Werte» gebe die Karte an, heisst es in dem Bericht.

Blick auf den Bodensee aus 90 Meter Höhe. (Bilder: Coralie Wenger)

Blick auf den Bodensee aus 90 Meter Höhe. (Bilder: Coralie Wenger)