Ihr seid einfach die Besten.» Meine Schwiegermama Lore setzt sich an den reich- gedeckten Muttertagstisch in der Steckborner Turmstube. Gespannt warte ich auf den Nachsatz, der diesem Lob folgen muss, wie das Amen in der Kirche.
Ihr seid einfach die Besten.» Meine Schwiegermama Lore setzt sich an den reich- gedeckten Muttertagstisch in der Steckborner Turmstube. Gespannt warte ich auf den Nachsatz, der diesem Lob folgen muss, wie das Amen in der Kirche. «Wenn ihr weiterhin so verschwenderisch seid, könnt ihr niemals Geld zur Seite legen.» Sparen ist Lores Lieblingsthema, ihr Konto ist gut bestückt. «Warum sollen wir sparen, Mama?» Frau Turmspatz schenkt uns Wein ein. «Wir leben jetzt und möchten es auch geniessen.» «Eine Reserve gibt Sicherheit», verkündet die Schwiegermama. «Du hast doch nichts von der Sparerei», sage ich, «kauf dir Möbel, mach eine Reise.» «Ich brauche doch keine Extras. Meine Reserve ist für eine wirkliche Notlage. Wenn ich sie antaste, nützt sie niemandem mehr.» Frau Turmspatz geht ans Fenster und schaut hinaus. «Woran denkst du?», will ich wissen. «An unsere Reserve.» «Dann spart ihr also auch? Wie mich das freut, mein Kind», sagt die Schwiegermama. «Habt ihr Land gekauft?» «Nicht wir.» Meine Frau zeigt ihrer Mutter das Lindenareal südlich von der Bahnlinie. «Das ist die Landreserve der Stadt Steckborn. Da sollen günstige Wohnungen entstehen?» «Gibt es bei euch Obdachlose?», will Lore wissen. «Was hat das mit unserem Lindenareal zu tun?» «Sehr viel. Wenn ihr eure Landreserve opfert, weil eine grosse Not herrscht, dann ist das eine gute Sache. Wenn ihr das Land einfach überbaut, damit wieder mal gebaut werden kann, dann ist die Reserve weg und ihr habt keine Sicherheit für schlechte Zeiten.»