Der Roman «Elefanten im Garten» von Meral Kureyshi steht im Zentrum der Aktion «Frauenfeld liest ein Buch». Nun liest die Berner Autorin kommendes Wochenende am Frauenfelder Bücherfest. Dabei will sie sich beeinflussen lassen.
Frau Kureyshi, wie mutet es an, dass im Rahmen von «Frauenfeld liest ein Buch» über 400 Frauenfelderinnen und Frauenfelder Ihr Romandébut «Elefanten im Garten» gelesen haben?
Meral Kureyshi: Dass es so viele sind, wusste ich nicht. Aber es ist sehr schön, dass das so ist. Ich bin gespannt, wie das wird und ob so viele an meine Lesung kommen werden.
Haben Sie keine Angst, dass das Publikum kommenden Samstag mehr über Ihre Protagonistin zu wissen glaubt als Sie selber?
Kureyshi: Nein, Angst nicht. Weil ich denke, dass die Leserinnen und Leser nicht mehr wissen als ich. Ich kenne meine Ich-Figur. Und sie misst sich mit anderen Figuren, die ich kenne.
Es war zu lesen, dass Ihnen der Austausch mit Ihrem Lesepublikum keine Last sei, weil «andere anderes finden» würden in «Elefanten im Garten» als Sie. Ihr Roman offenbart also auch für Sie immer wieder neue Geschichten?
Kureyshi: Andere lesen mein Buch anders als ich. Jeder sieht in einem Buch das, was ihn selber beschäftigt. Jeder sucht sich die Gefühle, die er erlebt hat. Jeder nimmt sich das, mit dem er sich identifizieren kann. Und das ist richtig. Diesen Austausch finde ich interessant. Dass mein Buch anders verstanden wird. Einmal sprach mich ein Journalist auf die vielen Bäume an, die in meinem Buch vorkommen. Das war mir gar nicht bewusst.
Haben Sie eigentlich auch so viel Phantasie wie Ihre Ich-Erzählerin im Buch?
Kureyshi: Die Frage, ob ich Phantasie habe, beantwortet sich, wenn man das Buch liest. Aber eigentlich kann ich das gar nicht beantworten. Das muss jemand anderes tun.
Wie kommt Ihre Phantasie zustande, wie halten Sie sie am Leben?
Kureyshi: Phantasie hat jeder Mensch. Man kann in sie eintauchen, sich treiben lassen von Gedanken, Gefühlen, Orten. Ich mache das nicht bewusst. Phantasie passiert einfach. Und ich gebe mich dem hin.
Phantasie ist immer auch Flucht.
Kureyshi: Das glaube ich nicht. Bei mir ist es eher umgekehrt. Als ich kleiner war, habe ich mich hingelegt, die Augen geschlossen und mir etwas Schönes vorgestellt. Das war eine bewusste Handlung, keine Flucht.
Waren Sie schon einmal in Frauenfeld?
Kureyshi: Einmal habe ich eine Freundin besucht, die in der Nähe von Frauenfeld lebt. Und am Open Air war ich auch schon. Während des Bücherfests werde ich mir die Stadt ganz genau anschauen.
Wie stellen Sie sich Frauenfeld, seine Bewohnerinnen und Bewohner vor, die Ihren Roman gelesen haben?
Kureyshi: Das klingt, als wäre Frauenfeld ausserirdisch. Ich denke, ich werde mich ganz wohlfühlen. Die Leute sind wohl nicht anders als die, welche ich in Bern, Zürich oder Basel kenne. Aber mal schauen: Vielleicht bin ich dann ganz erstaunt, wie anders die Leute in Frauenfeld sind.
Und welches Bild hat man in Frauenfeld von Ihnen?
Kureyshi: Ich weiss nicht. Es gibt Bilder von mir und Interviews. Ich werde da ja nicht auf die Bühne kommen und Yoga machen oder singen. Gut, vielleicht stellt man sich vor, dass ich das tun werde. Aber das werde ich wahrscheinlich nicht tun. Es passiert dann wohl einfach. Leute kommen auf einen zu und sagen: Sie habe ich mir ganz anders vorgestellt. Meistens stimmen die Erwartungen nicht überein mit dem, was ist.
Sie sagten in einem Interview, dass alles Ihre Arbeit beeinflusse und dass Sie durch Ihren Berlin-Aufenthalt aktuell viel über diese Stadt schreiben würden. Wenn Ihnen etwas von Frauenfeld in Erinnerung bleibt, könnte das also auch Niederschlag finden in Ihrem zweiten Roman, an dem Sie arbeiten?
Kureyshi: Eindrücke, die man mitnimmt, beeinflussen das Schreiben. Es beeinflusst mich, also auch mein Schreiben. Frauenfeld wird mich auch irgendwie beeinflussen. Vielleicht werde ich in Frauenfeld meine Hauptfigur verändern, weil mich jemand so beeindruckt.
In Frauenfeld sind offenbar «Elefanten im Garten» real. Nach Lancierung von «Frauenfeld liest ein Buch» tauchte in den sozialen Medien ein Bild von fast lebensgrossen Elefanten in einem Frauenfelder Garten auf. Werden Sie auf die Suche nach diesem Garten gehen?
Kureyshi: Von diesen Elefanten habe ich schon gehört und auch ein Bild gesehen. Ich musste lachen, als ich das Bild gesehen hab'. Ob ich so viel Zeit habe, dass ich mich auf die Suche machen kann, weiss ich aber nicht.
Hinter jeder Suche steht die Hoffnung, etwas zu finden. Wie ist das bei Ihnen und der Schriftstellerei?
Kureyshi: Mein Schreiben funktioniert so, dass ich nicht auf der Suche bin, sondern es passieren lasse. Dass ich mich von dem, was ist, beeinflussen lasse. Ich bin eine Beobachterin. Das hat mir kürzlich auch ein Mann in der U-Bahn in Berlin gesagt. Ich beobachte gerne. Das ist keine Kunst. Es kommt darauf an, was man aus den Beobachtungen macht. Man muss einfach aufmerksam sein. Beim Niederschreiben dieser Beobachtungen entsteht dann eine Geschichte. Und ich bin selber gespannt, wie sich die entwickelt.