Die Solargenossenschaft Frauenfeld erfindet sich neu. Nach 25 Jahren steht nicht mehr nur der Bau und Betrieb von Solaranlagen im Zentrum. Ihr Jubiläum feiern die Sonnenpioniere Ende Mai mit einem Fest im Murg-Auen-Park.
FRAUENFELD. Werner Müller gibt guten Gewissens sein Präsidiumsmandat ab. Denn die Zahlen der Solargenossenschaft Frauenfeld sprechen für sich. Vor 25 Jahren begann die Geschichte mit einer 10-Kilowattpeak-Anlage auf der Berufsschule. Heute listet die Genossenschaft, die Solaranlagen baut und betreibt, Private beim Bau unterstützt sowie Solarstrom vermarktet, 20 Projekte auf mit einer Gesamtleistung von 255 Kilowattpeak. Das entspricht dem Strombedarf von 80 Haushalten. Müller präsidiert die Genossenschaft seit ihrer Gründung 1991. An der Jahresversammlung vom 28. Mai kann er zurücktreten. Mit dem Gachnanger Energieunternehmer Marco Rüegg steht Müllers designierter Nachfolger bereit.
1991 gab es noch keine Energie-Förderprogramme. Damals betrug der Aufpreis auf eine Kilowattstunde Strom der Solargenossenschaft 1,20 Franken. Heute sind es gerade mal noch 18 Rappen. «Braucht es uns überhaupt noch? Das habe ich mich auch schon gefragt», sagt Präsident Müller. Seine Antwort lässt keinen Spielraum zu: Ja – obwohl sich vieles zum Guten gewendet habe. Am Anfang mussten die Sonnenpioniere noch Fragen zur Machbarkeit beantworten. Das sei heute kein Thema mehr, und in der Bevölkerung sei ein Bewusstsein für Solarenergie entstanden. «Zudem ist Solarstrom auch wirtschaftlich konkurrenzfähig geworden», sagt Müller.
Nicht zuletzt deshalb habe sich das Betätigungsfeld der Solargenossenschaft verlagert. Früher standen der Bau und Betrieb von Solaranlagen im Zentrum. Und wo der Solarstrom nicht für den Eigenbedarf gedacht war, vermarktete ihn die Genossenschaft. Vergangenes Jahr standen über 126 000 Kilowattstunden zur Verfügung. Diese zwei Geschäftsfelder wirft man zwar keineswegs über Bord. Heutzutage geht es für die Genossenschaft aber vielmehr darum, über Solarenergie zu informieren, zum Beispiel mit Veranstaltungen wie dem Sonnenfest (siehe Kasten).
Ein anderes Augenmerk, dem sich die Genossenschaft vermehrt widmet, sind Gesamtkonzepte im Sinne von Plus-Energie-Bauten, also Solarstrom-Produktion zusammen mit Gebäudehüllen-Sanierung. 2002 konnten die Frauenfelder Sonnenpioniere eine Solaranlage auf einem Wohnhaus in Eschenz erstellen, das so zum ersten Thurgauer Plus-Energie-Haus wurde, also mehr Strom produziert, als der eigene Verbrauch ist. Heutzutage kann die Solargenossenschaft in diesem Bereich umfassendere Dienstleistungen anbieten. Diesem Umstand ist geschuldet, dass der Frauenfelder Architekt Thomas Metzler, ein Spezialist für Plus-Energie-Bauten, sich zur Wahl in den Genossenschaftsvorstand stellt. Mit den alt Gemeinderäten Christian Schmid und Stefan Leuthold verfügt die Genossenschaft bereits über Experten für Photovoltaik und Solarthermie.
Laut Präsident Müller decken sich mittlerweile drei Prozent des Frauenfelder Stromverbrauchs durch Sonnenenergie. «Eine beachtliche Zahl für eine Stadt dieser Grösse», findet Müller. Als mittelfristiges Ziel sieht er eine Steigerung auf fünf Prozent – auch angesichts der Tatsache, dass im Dezember 2019 mit Mühleberg das erste Schweizer Atomkraftwerk vom Netz geht.
Die Beteiligungs-Photovoltaikanlage der Stadt auf den Dächern der Werke findet Müller eine «super Initiative». Es freue ihn sehr, dass dieses Projekt grossen Erfolg habe. Für die Zukunft propagiert der noch amtierende Genossenschaftspräsident den Einsatz von Batteriespeichern für ganze Quartiere. Heute würden sich die Leute ärgern, wenn sie tagsüber Solarstrom ins Netz einspeisten und abends ungleich teurer wieder bezögen, weil sie nicht in den Genuss der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) kommen. Die KEV-Warteliste ist immer 35 000 Projekte lang. Und Müllers Ruf nach Solarstrom-Speichern geht gut zusammen mit dem neuen Förderschwerpunkt des städtischen Energiefonds.