Ein Kulturzentrum, eine Bibliothek oder gar eine Pizzeria: Immer mehr Kirchgemeinden müssen sich mit der Frage beschäftigen, wie sie ihre Kirchen umnutzen sollen. Denn viele werden wegen fehlender Kirchgänger überflüssig.
Jedes Jahr verliert eine Kantonalkirche Mitglieder in der Grösse einer Kirchgemeinde. Das schreibt der Schweizerische Evangelische Kirchenbund in seinem Bericht «Ein Beitrag zur Frage der Kirchenumnutzung aus evangelischer Perspektive». Dass Kirchen leer bleiben und darum verkauft werden müssen, ist eine Entwicklung, die mittlerweile auch die Ostschweizer Kirchgemeinden beschäftigt.
«Ein schwieriges, emotionales Thema», sagt Andreas Ackermann, Kommunikationsbeauftragter der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen. «Bei jedem Verkauf hofft die Kirchgemeinde, einen Besitzer zu finden, der dem Gebäude gerecht wird und verantwortungsvoll damit umgeht.»
Die Stadtsanktgaller Kirche St. Leonhard wurde als erste Kirche im Kanton vor gut zehn Jahren an eine Privatperson verkauft. «Das war ein Lehrstück», sagt Ackermann. Denn obwohl der neue Besitzer, der Winterthurer Architekt Giovanni Cerfeda, zu Beginn plante, ein Kulturzentrum zu eröffnen, hat sich diesbezüglich bisher nicht viel getan. «Heute würde man in dem Kaufvertrag wohl verbindlicher festlegen, was in der Kirche bis wann umgesetzt werden muss», sagt Ackermann.
Auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund hat auf die Situation reagiert und listet in seinem Bericht zur Kirchenumnutzung einige Tips auf. «Umnutzungen verlangen Sensibilität», heisst es dort etwa. Und: «Sollte es zu einem Verkauf des Kirchengebäudes kommen, aufgrund dessen keine Gottesdienste mehr abgehalten werden, so ist eine Entwidmung vorzunehmen.»
Auch in Ebnat-Kappel soll in der ehemaligen evangelischen Kirche Kappel ein Kulturzentrum entstehen. Die Kirchbürger haben dem Verkauf vor gut einem Jahr zugestimmt. Zudem haben verschiedene Kirchgemeinden in den vergangenen Jahren Liegenschaften oder auch ihr Land verkauft. Jüngstes Beispiel ist St. Pelagiberg bei Hauptwil. Dort hat die Katholische Kirchgemeinde im Sommer ihr Restaurant verkauft, das an die Kirche grenzt. «Kirchenverkäufe und Umnutzungen sind ein Thema, das uns in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen wird», sagt Sabine Rüthemann, Kommunikationsbeauftragte des Bistums St. Gallen. Sie verweist auf die Herz-Jesu-Kirche in Rorschach, die kaum noch genutzt wird.
Dort überlegen derzeit die Kirchbürger der Pfarrei St. Kolumban, was mit der Kirche geschehen soll. Pfarreimitarbeiter Peter Jehle sagt: «Eine Umnutzung zieht verschiedene Probleme nach sich: Was macht man überhaupt mit der Kirche? Zudem sind Umbauten wegen des Denkmalschutzes schwierig.» Eine Umnutzung eines sakralen Bauwerks sei immer heikel. Und so hat die Pfarrei trotz jahrelanger Diskussionen heute keine konkrete Idee, was aus der Herz-Jesu-Kirche werden soll. Eine Umfrage unter den Kirchbürgern zeigt aber, dass diese zwar noch immer gegen einen Verkauf, allerdings für eine Umnutzung sind.
Ein Beispiel könnten sie sich dabei am Ausland nehmen. Die Dezemberausgabe des «NZZ Folio» zum Thema Atheismus stellte Kirchen in Italien vor, die heute Autowerkstätten, Pizzerias, Lofts, Banken, Theater und Gemeindeämter beherbergen. Und in Amsterdam wird in einer zum Club umfunktionierten Kirche mit dem passenden Namen «Paradiso» gefeiert.
Auch die hiesigen Kirchen folgen dem Trend – wenn auch nicht mit der gleichen Radikalität: In Zürich etwa eröffnen Kirchen Quartier-Cafés. Und in Uznach wurde kürzlich ein Generationenhaus eröffnet, wo sich Kirchgänger im lockeren Rahmen treffen sollen.