Lehrplan 21 mit Thur statt Rhone

Die Anführer des Thurgauer Erziehungswesens stellen sich geschlossen hinter den Lehrplan 21, der die Besonderheiten der Deutschschweizer Kantone einebnet. Bevor er in Kraft tritt, wird er überall den kantonalen Gegebenheiten angepasst.

Thomas Wunderlin
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Regierungsrätin Monika Knill informiert über die kantonale Umsetzung des Lehrplans 21. (Bild: Reto Martin)

Regierungsrätin Monika Knill informiert über die kantonale Umsetzung des Lehrplans 21. (Bild: Reto Martin)

FRAUENFELD. Der Aufmarsch an der Medienkonferenz im Frauenfelder Glaspalast war beeindruckend. Nebst Regierungsrätin Monika Knill und zwei ihrer Mitarbeiter nahmen Vertreter aller massgeblichen Verbände des Thurgauer Schulwesens teil. Einmütig stellten sie sich hinter den überarbeiteten Lehrplan 21, den die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren am Freitag den Kantonen übergeben haben.

Eine solche Geschlossenheit habe er im Thurgau noch nie erlebt, sagte Felix Züst, Präsident des Verbands Thurgauer Schulgemeinden. «Der Lehrplan 21 ist zeitgemäss», sagte Markus Villiger, Präsident des Schulleiterverbandes. Beispielsweise entspreche er der gewachsenen Mobilität, die eine Vereinheitlichung der kantonalen Lehrpläne erfordere. «Die Lehrerschaft ist von Anfang an einbezogen worden», lobte Anne Varenne, Präsidentin von Bildung Thurgau, «nicht nur pro forma.» Wichtig seien passende Lehrmittel.

Dazu gesellte sich die Rektorin der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PH), Priska Sieber. Mit «Medien und Informatik» und «Berufliche Orientierung» seien zwei wichtige aktuelle Bereiche dazugekommen, die auch an der PH seit längerem ein Schwerpunkt seien.

Knill: Föderales Meisterstück

Monika Knill, Vorsteherin des Departements für Erziehung und Kultur (DEK), nannte den Lehrplan 21 ein «föderales Meisterstück». 21 Kantone hätten gemeinsam einen Lehrplan für die obligatorische Schulzeit erarbeitet, die kantonale Autonomie bleibe dennoch gewahrt. Die Ausrichtung sei klar leistungsorientiert. Die Anschlüsse an die weiterführenden Schulen seien verbessert. «Ich betone, es ist kein Reformprojekt.» Vielmehr bringe der Lehrplan 21 eine Präzisierung und Weiterentwicklung der Bildungsziele. «Er ist nicht auf der grünen Wiese gebaut worden», sagte die SVP-Regierungsrätin, «sondern hat viel von den Lehrplänen der Kantone übernommen.»

Der Thurgau habe viel dazu beigetragen, so auch durch die erste Vernehmlassung 2009. «Es hat viel <Thurgauness> im <Swissness>-Lehrplan.» Bei der sorgfältigen Überarbeitung hätten die Fachteams die Kritiken aufgenommen. So sei die Zahl der Kompetenzen um 88 auf 365 reduziert worden.

Als Vergleich zog Walter Berger, Leiter des Amts für Volksschule, den geltenden Thurgauer Lehrplan von 1996 herbei, der 1111 Grobziele enthält. Mit den reduzierten Kompetenzen bleibe den Lehrern genug Freiraum für Exkursionen und andere Aktivitäten. Berger war bei der Erarbeitung des Lehrplans 21 Präsident der Begleitgruppe.

Zum Freiraum trägt die hohe Stundenzahl bei, die Thurgauer Schüler absitzen. Vom Kindergarten bis ins neunte Schuljahr sind es 6680. Ihre Kameraden in den andern Kantonen besuchen zwischen 5928 (LU) und 7119 (VS) Lektionen zu 45 Minuten.

Thurgauer Lied singen

Die Kantone haben den Lehrplan 21 gemeinsam erarbeitet, in Kraft setzen wird ihn jeder für sich. Dabei wird er den kantonalen Besonderheiten angepasst. So wird im Thurgau laut Knill die Thur anstelle der Rhone als Beispiel für ein Flusssystem behandelt, und man singt das Thurgauer Lied und nicht das Baselbieterlied.

Zur Anpassung an die Thurgauer Verhältnisse gehört auch die Konzentration des gesamten Französischunterrichts auf die Oberstufe. Laut Knill widerspricht dies nicht den Zielen des Lehrplans 21. Es sei immer klar gewesen, dass es in diesem Bereich Unterschiede gebe. Beispielsweise sei jetzt in den Kantonen Bern und Basel Französisch die erste Fremdsprache, während es im Thurgau Englisch ist. Der Thurgauer Regierungsrat wird im Sommer 2015 den Grundsatzentscheid fällen. Definitiv entscheiden wird er nach einer weiteren Vernehmlassung 2016. In Kraft treten soll der Lehrplan 21 am 1. August 2017. Für die Einführung an den Schulen veranschlagt die Koordinatorin im DEK, Sandra Bachmann, vier Jahre. Die Vorbereitungsarbeiten haben schon 2013 begonnen.

Den Fahrplan durcheinander bringen könnte der Grosse Rat, falls er eine hängige SVP-Motion für erheblich erklären sollte. Sie verlangt eine Mitsprache des Grossen Rats bei der Genehmigung der Lehrpläne.