Krönung einer Laufbahn

Die Kantonsbibliothek Thurgau verstärkt ihr Engagement im Bereich der Wissenschaft und Forschung. Der langjährige Leiter Heinz Bothien wird sich bis zur Pensionierung der Katalogisierung der ältesten Thurgauer Klosterschätze widmen. Seine Stelle ist ausgeschrieben.

Brigitta Hochuli
Drucken
Wissenschafter und Schöngeist: Heinz Bothien weiss, was er seinem Publikum schuldig ist. (Bild: Reto Martin)

Wissenschafter und Schöngeist: Heinz Bothien weiss, was er seinem Publikum schuldig ist. (Bild: Reto Martin)

Frauenfeld. Seit 1912 war die Kantonsbibliothek Thurgau zusammen mit dem Obergericht in der einstigen Kantonsschule untergebracht. Seit 2005 ist die über 200jährige Institution alleinige Nutzerin des klassizistischen Brenner-Baus an der Promenadenstrasse der Kantonshauptstadt. Seit 1993 heisst der Hausherr Heinz Bothien. Stolz geht er durch die für knapp 5 Millionen Franken ästhetisch und technisch auf höchstes Niveau gebrachten Räume.

Weichen neu gestellt

Bothien ist 60 und hat die Weichen für den letzten Arbeitsabschnitt neu gestellt. Zurzeit wird ein Nachfolger für die Leitung der Bibliothek gesucht. Er selbst wird die Katalogisierung von 642 ehemals klösterlichen Inkunabeln weiter und zu Ende führen. Die zuerst auf das 200-Jahr- Jubiläum 2005, dann auf Herbst 2007 angekündigte Publikation hat sich verzögert.

Incunabula, die Kinderwindeln

«Bibliothecae Thurgovienses» heisst das auf nahezu 700 Seiten geplante Werk, dem sich Heinz Bothien zusammen mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Marianne Luginbühl künftig als Leiter des vom Regierungsrat neu geschaffenen Bereichs Wissenschaft und Forschung ganz verschreiben wird. Bothien zeigt einzelne Blätter des Inkunabel-Katalogs, die später im Orell Füssli Verlag herausgegeben werden. Incunabula heisse Kinderwindeln, klärt Bothien auf und schmunzelt. Mit Inkunabeln bezeichne man Bücher aus der Wiege der Buchdruckkunst seit 1450 bis 1500. Man spreche deshalb auch von Wiegendruck. «Es sind die ältesten Bücher, die es gibt», schwärmt Bothien. Die 642 Exemplare der Kantonsbibliothek stammten aus der Kartause Ittingen, dem Chorherrenstift Kreuzlingen und dem Kloster Fischingen, erklärt er weiter.

Die Inkunabeln nach international gültigen wissenschaftlichen Kriterien zu beschreiben, zu katalogisieren und ein Nachschlagewerk daraus zu machen, sei eine Notwendigkeit, sagt Heinz Bothien. Und mit ihm verfüge man im Thurgau über eine Person, die seit vielen Jahren in die Materie eingearbeitet sei. Dabei weiss Bothien, was er dem Publikum schuldig ist. Der Katalog müsse zwar wissenschaftlich korrekt sein, aber auch der Schönheit der Illustrationen gerecht werden.

Dem Kanton zum Dank

Dazu bieten sich die Bibeln, Gesangsbücher und Gebrauchsliteratur der Mönche mit ihren verzierten Einbänden, Bildern und Miniaturen geradezu an. 12 000 Dias sind bereits in 18 Ordnern abgelegt. «Ich will keine Bleiwüste, die Bilder sollen Wertschätzung ausdrücken.» Beziffern will Bothien den Klosterschatz allerdings nicht. «Die Inkunabeln gehören dem Kanton Thurgau und so soll es auch bleiben.» Ganz verkneifen kann er sich eine Andeutung aber nicht. Er sucht einen Katalog aus dem Antiquariatshandel hervor. Hier könne eine Inkunabel mitunter sehr teuer sein. Mit seinem «besonderen, anspruchsvollen Jahrhundertwerk» wird Heinz Bothien dem Kanton Thurgau seine Dankbarkeit erweisen. Denn diese Möglichkeit sei keine Selbstverständlichkeit und bedeute, bestätigt er eine Frage, die Krönung seiner wissenschaftlichen Laufbahn.