Die Schweizer Wirtschaft wird auch im kommenden Jahr wachsen. Dafür sorgen Konsum und die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte, sagt Martin Neff, Leiter Economic Research Switzerland der Credit Suisse.
GOTTLIEBEN. Martin Neff sprach am Donnerstag im Hotel Waaghaus in Gottlieben zu den aktuellen Konjunkturperspektiven. Seine Analyse der derzeit schwierigen Wirtschaftslage begann in den USA. 15 Jahre lang seien die Immobilienpreise massiv gestiegen, als in den Jahren 2003 und 2004 zusätzliche billige Kredite auf den Markt gekommen seien, «war auch die Risikobereitschaft viel grösser», so Neff. Es seien Produkte auf den Markt gekommen, die Neff mit einem Cocktail verglich: «Immer mehr exotische Zutaten wurden gemixt, die Produkte waren in, obwohl niemand mehr wusste, was eigentlich drin ist.»
Durch fahrlässige Kreditvergabe, Lockvogelzinsen und Spekulationen sei das System ins Wanken gekommen und schliesslich zusammengebrochen. «Das sind die negativen Auswirkungen der Globalisierung», so Martin Neff. Diese aber sei nicht der Grund für das Elend. Die getätigten Exzesse hätten eine Kettenreaktion mit verheerender Wirkung ausgelöst.
Das Vertrauen unter den Banken sei massiv gesunken. Die Folge: «Es gibt kein Geld mehr unter den Instituten.» Doch die Quelle, so zeigte sich Neff überzeugt, beginne wieder langsam zu fliessen und die Hoffnung, dass sich die Banken wieder gegenseitig Geld verliehen, sei vorhanden. Neff sah am Donnerstag keine weltweite Rezession, aber schwächere Zuwachsraten. Und der Höhepunkt der Inflation sei dank des sinkenden Ölpreises überwunden.
Die Schweiz könne positiv nach vorne schauen, er rechne mit einem Wirtschaftswachstum von einem Prozent im kommenden Jahr. Hauptmotor dafür sei der Konsum, denn «dieser bricht nicht über Nacht weg». Die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte sorge für anhaltenden Rückenwind und deshalb entwickle sich dieser Wirtschaftsbereich weiter positiv, so Martin Neff.
Die Industrieproduktion und die Kapazitätsauslastungen seien hoch, erklärte Martin Neff weiter, so dass sich die Schweiz einen konjunkturellen Taucher leisten könne. Er nannte dies «einen kontrollierten Sinkflug dank gut gefüllter Auftragsbücher». Im Aussenhandel gebe es einen Marschhalt auf hohem Niveau, ergänzte Neff. Die Stimmung sei schlechter als die Lage, und auch der Arbeitsmarkt sei in guter Verfassung.
Es sei Zeit, wieder Vertrauen zu schaffen, so Neff. Schlechte Nachrichten prägten sich leider viel schneller ein und seien länger präsent als gute. Und auch die Gerüchteküche brodle, was der anhaltenden Krise schade. Nicht nur der Aufschwung, «vor allem der Abschwung beginnt im Kopf», gab Martin Neff den Veranstaltungsbesuchern mit auf den Weg.