Mundart, gopferteli, gehört sich nicht im Frauenfelder Stadtparlament. Meine Damen und Herren Stadt- und Gemeinderäte, bitte halten Sie Ihre Voten auf Schweizer Hochdeutsch. Bewahren Sie Haltung, heinemol.
Mundart, gopferteli, gehört sich nicht im Frauenfelder Stadtparlament. Meine Damen und Herren Stadt- und Gemeinderäte, bitte halten Sie Ihre Voten auf Schweizer Hochdeutsch. Bewahren Sie Haltung, heinemol.
Man verstehe mich nicht falsch: Ich bin der letzte, der den kulturellen Untergang heraufbeschwört, weil die heutigen Kids auf Facebook, WhatsApp und all den anderen neumodischen Social-Media-Sachen nur noch in Mundart schreiben. Hauptsache: Sie kommunizieren noch irgendwie miteinander. Und sie sind ja noch jung.
Für mich steht ausser Frage: Wir müssen Mundart sprechen, um sie zu pflegen, damit ihre Feinheiten und Kuriositäten nicht verlorengehen. Zum Beispiel in der Kaffeepause, am Billettschalter, auf der Poetry-Slam-Bühne, am Fussballmatch, nach dem Theaterbesuch, an der Vorstandssitzung oder am Elternabend der Primarschule. Und die Kleinen sollen auch im Kindergarten Mundart sprechen dürfen – und in der Primarschule spätestens dann, wenn Jassen zum Schulfach wird. Ich gehe noch weiter und sage: Wir müssen auch Mundart schreiben. Mundart ist in der geschriebenen Sprache Stilmittel und wunderschönes literarisches Statement in einem. Nicht nur ich habe die neuere Schweizer Mundartliteratur lieb gewonnen. Pedro Lenz, Gabriel Vetter und wie sie alle heissen, gewinnen Buchpreise, werden verfilmt oder geben CDs heraus.
Aber ein Politiker ist eben kein Pedro Lenz. Und der Grosse Bürgersaal im Frauenfelder Rathaus ist noch viel weniger eine Kaffeepause. Der Gemeinderat ist ein Ehrenamt. Der Bürgersaal ist ein ehrwürdiger Saal. In diesem formellen Rahmen sollte des Anstands wegen Schweizer Hochdeutsch gesprochen werden. Der Pfarrer in der Kirche predigt auf Hochdeutsch, der Anwalt hält vor Gericht sein Plädoyer auf Hochdeutsch. Auch Politiker wollen gehört werden. Sie bedienen sich deshalb der Rhetorik, der Redekunst, in unser aller Hochsprache.
Es sind ganz wenige. Aber es gibt sie – zum Glück. Jene Frauenfelder Gemeinderäte, die sich nicht hinter schwülstigen Formulierungen in geschliffen formuliertem, aber schlecht ausgesprochenem Hochdeutsch verstecken. Die so reden, als ob sie gar nicht verstanden, geschweige von den Journalisten nachher auch zitiert werden wollen. Denn Sätze wie: «Das heisst, der Spareffekt durch Effizienzsteigerung wird durch eine höhere Anzahl an energieeffizienteren Geräten zunichte gemacht» sind nur schwer verdaulich und wären einfacher formulierbar. Solche Sätze kann man zum Beispiel den Zeitungslesern nicht zumuten. Die muss man übersetzen, damit sie wirklich verstanden werden.
Die Vertreter der leider nur kleinen Mundart-Fraktion hingegen würden solche Sätze nie sagen. Denn sie – eben die löblichen Ausnahmen – sind da viel erfrischender. Sie benutzen Wörter, die jeder versteht und die sie auch im Alltag benutzen. Das ist authentisch, denn wer in seiner eigenen Sprache spricht, ist ehrlich und direkt. Und die eigene Sprache ist in Frauenfeld die Mundart. Gewiss, man kann auf Hochdeutsch einiges präziser ausdrücken. Weil es eben für jede noch so technisch-bürokratische Begebenheit einen Begriff gibt, wie zum Beispiel «Ankündigungsstrategie». Doch ist das im Sinne des Erfinders? Sollten sich Politiker hinter schwülstigen Begriffen verstecken statt Klartext zu reden?
Nein, das sollten sie nicht. Politiker müssen imstande sein, auch komplizierte Dinge einfach ausdrücken zu können. Das geht in Schweizerdeutsch besser, und damit rücken sie ausserdem näher zum Volk, näher zu ihren Wählern. Es gibt schon genügend Kinder, die «Schwein» statt «Sau» oder «Pferd» statt «Ross» sagen. Politiker könnten in diesem Sinne eine Vorreiterrolle einnehmen, indem sie zu unserer Mundart stehen. Daher: Werte Frauenfelder Gemeinderäte, traut euch! Traut euch, so zu sprechen, wie ihr es im Alltag tut und wie ihr euch am wohlsten fühlt.