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Ostschweiz
Ihr Lieblingsessen ist Ghackets und Hörnli, ihr Lieblingstier die Kuh und ihr Lieblingsort der Alpstein. Im Interview plaudert Monika Knill, SVP-Regierungsrätin und Thurgauerin des Jahres 2017, über die grossen und kleinen Dinge im Leben.
Monika Knill, Sie haben in letzter Sekunde mit zwei Stimmen Unterschied, das Frühfranzösisch für den Thurgau gerettet. Wie haben Sie das geschafft?
Ich würde sagen, es war ein politisches Powerplay in Unterzahl mit positivem Ausgang. Wir haben viele Gespräche geführt, bei denen wir die Verbesserungs-Möglichkeiten mit Nachdruck vertreten haben. Ich war immer überzeugt, dass man diese Chance nicht vergeben sollte.
Hat sich Bundesrat Berset nach dem Thurgauer Entscheid bei Ihnen gemeldet?
Nicht in den ersten Wochen. Dann kam ein Anruf aus dem Bundeshaus. Er sagte, dass er sehr erleichtert sei. Die Medien haben mich ja immer wieder gefragt, ob Bundesrat Berset reagiert hätte. Vielleicht ist ihm das auch zu Ohren gekommen.
Haben Sie miteinander Französisch gesprochen?
Nein. Mein Französisch reicht für eine Alltags-Konversation, aber für ein offizielles Gespräch ist es nicht fliessend genug. Der politische Entscheid hat mich aber auch selber motiviert. Privat treffe ich mich regelmässig mit einer tollen Lehrerin. Das macht sehr viel Spass.
Sie wurden mit 36 Jahren in den Regierungsrat gewählt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie zwei schulpflichtige Töchter und einen Mann mit eigener Firma. Wie haben Sie das alles unter einen Hut gebracht?
Wir leben in einem Drei-Generationen-Haus mit meiner Mutter. Das war das grosse Glück. Ausserdem hatte mein Mann die Firma damals noch zu Hause. (Anm. der Red.: Josef Knill führt eine Firma im Dienstleistungsbereich Fenster- und Fassadentechnik) Das heisst, es war immer jemand da für die Kinder. Die Betreuung während des Tages hat sich dann einfach mehr auf meinen Mann und meine Mutter verlagert.
Haben die Mädchen nicht protestiert, dass s’Mami zu wenig Zeit hat?
Nein. Ich rechne es meiner ganzen Familie hoch an, dass sie mir nie den Vorwurf gemacht hat, ich sei nicht für sie da gewesen. Physisch war ich natürlich schon viel weg. Wir haben immer nach der Devise gelebt, nicht die Quantität, sondern die Qualität der gemeinsamen Zeit ist entscheidend. Wenn wir zusammen waren, dann haben wir das intensiv genutzt. Heute sind die Töchter erwachsen und wir tauschen uns tagsüber immer wieder per Whatsapp aus. Ich bin stolz auf sie.
Können Sie immer von der Arbeit abschalten?
Ja, das kann ich zum Glück. Natürlich gibt es Dinge, die mich beschäftigen, wenn ich das Büro verlassen habe. Aber mein Zuhause habe ich mir mehr oder weniger getrennt von der Arbeitssituation so erhalten können, dass ich meistens gut abschalten kann. Wenn mich etwas plagt oder ich einfach den Kopf lüften will, dann gehe ich eine Runde joggen. Ich geniesse es, wenn mein Mann mitkommen kann. Dann nutzen wir das Jogging für ungestörte Gespräche. Nach dem Sport fühle ich mich grundsätzlich gut.
Sie waren nicht nur jung, sondern auch noch fast ein politischer Neuling als sie in den Regierungsrat gewählt wurden. Wie ist es eigentlich dazu gekommen?
Mit 23 Jahren kam ich in den Gemeinderat, mit 31 bin ich in den Grossen Rat nachgerückt, zuletzt war ich SVP-Fraktionspräsidentin. Als die Anfrage für den Regierungsrat kam, war ich Vizegemeindeammann von Kemmental. Eine politische Karriere habe ich nicht bewusst geplant. Parteiintern hatten mich die Strategen aber auf dem Radar. Am Schluss zählte auch, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.
Hatten Sie so etwas wie Förderer?
Ja, ich durfte auf die Unterstützung gleich mehrerer Personen zählen. Dazu gehörte Jakob Stark, der mich immer sehr unterstützt hat. Ich habe auch das Departement von ihm übernommen.
Sie waren nicht nur die einzige Frau, sie waren auch sehr viel jünger als Ihre Kollegen im Regierungsrat. Woher haben Sie ihr Selbstbewusstsein genommen?
Ich war nicht festgelegt auf das Amt als Regierungsrätin. In dieser Zeit hatte ich verschiedene Optionen, es gab Anfragen aus Gemeinden für Gemeindepräsidien. Doch Wegziehen war für mich keine Option. Die Firma meines Mannes stand im Aufbau. Zuvor wollte ich noch die Zweitweg-Matur machen, war sogar schon angemeldet. Aber dann ist mein Vater schwer erkrankt und meine Prioritäten verlagerten sich sofort. Irgendwie begleitete mich der Grundsatz «erstens kommt es anders, zweitens als man denkt».
Aber es braucht doch einen gewissen Willen zur Macht, um so weit zu kommen.
Interesse und Ehrgeiz würde ich es eher nennen als Machtstreben. Mein Antreiber war nie der Gedanke von Macht. Das ist auch eine Frage des Typs. Ich war schon in der Schule nicht diejenige, die in der hintersten Reihe gestanden ist. Ich habe immer etwas gemacht, organisiert, mich zu Wort gemeldet, wollte etwas bewegen.
Wie hat Ihr Mann auf die Kandidatur für den Regierungsrat reagiert?
Er hat gesagt: «Mach es, das schaffst Du. Wir unterstützen Dich.»
Sie sind in Alterswilen aufgewachsen, in dem Haus, in dem Sie jetzt leben.
Ich komme aus einer traditionellen Familie. Meine Mutter war mit Leib und Seele Mutter und Hausfrau. Mein Vater war Friedensrichter, Zivilstands- und Betreibungsbeamter. Das Büro hatten wir im Haus. Wir haben schon als Kinder die Zivilhochzeiten im eigenen Haus miterlebt, oder die lautstarken Streitereien zwischen zwei Parteien, die mein Vater zu schlichten hatte. Als er starb, habe ich das Zivilstandsamt noch bis zur Kantonalisierung weitergeführt und 23 Paare getraut.
Man könnte Sie sich gut als Bauerntochter vorstellen?
Es gab tatsächlich eine Bauernfamilie im Dorf, bei der ich mitgeholfen und einen grossen Teil meiner Jugendjahre verbracht habe. Das fing in der zweiten, dritten Klasse an mit Apfelauflesen. Ich hatte meine Hausaufgaben immer sehr schnell erledigt, dann habe ich mich umgezogen und dort im Stall und auf dem Feld geholfen. Auch meine Chüngel haben auf diesem Bauernhof gelebt.
Wollten Sie nie Bäuerin werden?
Doch, das hätte mich auch interessiert und ich habe mir auch die Bäuerinnenschule auf dem Arenenberg überlegt. Doch wo die Liebe hinfällt: Mein Mann ist zwar ein Bauernsohn, aber nicht Landwirt.
Wieso haben Sie sich die SVP ausgesucht?
Das lag vor allem an Personen, die ich kannte, die mir wichtig waren. Ich bin zwar bürgerlich vorgespurt, konnte mir aber in jungen Jahren lange gar nicht vorstellen, in einer Partei zu sein.
Als Sie gewählt wurden, war der Regierungsrat ein Gremium von gestandenen Männern.
D’ Manne sind mir von Anfang an auf Augenhöhe und mit kollegialem Respekt begegnet. Ich wurde insbesondere in der Startphase gut unterstützt. Mit Bernhard Koch und Jakob Stark waren ja auch zwei frühere Bildungsdirektoren im Regierungsrat, die mir wertvolle Inputs gaben. Ich bin aber auch selber nicht der Typ, der auf dem Thema «Frau» herumreitet, irgendwelche Differenzen sucht und unterstreicht.
Hat sich trotzdem etwas verändert mit ihren beiden Kolleginnen Carmen Haag und Cornelia Komposch?
Als grösste Veränderung habe ich erlebt, als Carmen Haag vor vier Jahren als zweite Frau in den Regierungsrat kam. Da hatte ich erstmals eine weibliche Sparringpartnerin. Wir arbeiten im Regierungsrat sehr gut zusammen. Auch unter uns Frauen klappt es bestens. Insgesamt ist das Geschlecht aber nicht so wichtig. Wir betreiben Sachpolitik, ob Frau oder Mann.
Muss man als Regierungsrätin nicht auch mal auf den Tisch hauen?
Nein, ich nicht. Ich bin zwar auch impulsiv und manchmal ungeduldig. Aber nicht der Typ, der andere anschreit oder mit grosser Gestik auf den Tisch haut. Wenn etwas schief gelaufen ist, dann darf niemand Angst haben, es mir umgehend und direkt zu sagen. Es geht dann sehr schnell darum, wie man das Problem löst und was man künftig besser machen kann. Wenn ich Dampf ablassen muss, dann tu ich das beim Sport, zum Beispiel beim Volleyball.
Dann dreschen Sie auf den Ball ein?
Manchmal schon. Dann sagen meine Kolleginnen «läck, was ist da wieder passiert».
Ist es als Departements-Chefin nicht auch einsam an der Spitze?
Das stimmt, Regieren ist manchmal eine ganz einsame Geschichte. Man ist auf Departementsstufe in der Situation, als Oberste zu entscheiden und hat dann kein Gremium, welches den Entscheid solidarisch mitträgt. Umso wertvoller ist das Regierungsgremium, wo wir uns auch gegenseitig in wichtigen Fragen austauschen.
Wie wichtig ist für Sie das private Umfeld?
Dass ich mich im «zivilen Leben» in meinem Freundeskreis und meiner Gemeinde unverändert wohl fühle und fest verwurzelt bin, ist auch entscheidend. Bei Vereinsanlässen serviere ich genauso Spaghetti wie die anderen. Wenn ich das Gefühl hätte, mein engstes Umfeld behandelt mich anders, nur wegen meiner Funktion als Regierungsrätin, dann wäre das für mich ein Problem.
Ist es nicht anstrengend, immer in der Öffentlichkeit zu stehen? Der ganze Thurgau kennt Sie.
Im Thurgau wird ja kein grosser Personenkult betrieben und das ist gut so. Man gewöhnt sich auch an eine erhöhte, öffentliche Wahrnehmung. Ausserdem gibt es immer wieder Leute, die mich nicht kennen, da kommt es zu amüsanten Situationen. Übrigens, auch bei Ordnungsbussen geht der Kelch nicht an mir vorbei. Regierungsrätin hin oder her. So muss es auch sein.
2018 haben Sie zehnjähriges Jubiläum im Regierungsrat. Denken Sie über Rücktritt nach?
Nein, noch nicht. Die Legislatur dauert bis 2020. Ich halte wenig von Fristen. Ich würde aufhören, wenn ich am Sonntag demotiviert und mit Schrecken daran denken würde, dass ich am Montag wieder zur Arbeit muss. Aber das ist definitiv nicht der Fall. Mir gefällt das Amt nach wie vor sehr gut.
Gibt es für Monika Knill ein Leben nach der Politik?
Auf jeden Fall. Ich wurde ja nicht per se als Politikerin geboren. Es gibt so viele interessante Bereiche oder Projekte, darunter ist auch manche etwas verrückte Idee.
Welche zum Beispiel?
Der medizinische Bereich interessiert mich aufgrund meiner Erstausbildung als MPA immer noch sehr. Auch befristete Projekte, zum Beispiel einen Job-Tausch in andere Branchen könnte ich mir vorstellen. Vor einigen Jahren habe ich unsere Genossenschafts-Beiz im Dorf mitgeführt. Das war ebenfalls eine schöne Zeit.
Wie sieht für Sie ein von Terminen freies Wochenende aus?
So ganz frei ist leider auch das freie Wochenende nicht. Meine persönliche To-Do-Liste ist meistens ziemlich lang. Vom Coiffeur-Termin über alltäglichen Erledigungskram und verschiedene Arbeiten im Haus. Wenn ich Zeit habe, dann backe ich den Sonntagszopf, dörre Apfelringli, oder putze auch mal Fenster.
Fensterputzen ist nicht gerade die klassische Art von Ausspannen.
Auch wenn das nicht nach Erholung tönt und vielleicht schwer zu verstehen ist: Mir ist wohl bei solchen Sachen. Für die sehr seltenen richtig freien Wochenenden ziehen wir uns ins Appenzellerland zurück und geniessen den Alpstein.
Gibt es etwas, was Sie unbedingt in Ihrem Leben noch machen möchten?
Ja, es sind wohl eher unspektakuläre, aber für mich wichtige Dinge. Wie zum Beispiel wieder selber singen, Klavier spielen, Natur und Kultur erleben, sportliche Aktivitäten, Sprachkenntnisse verbessern, private Projekte verwirklichen oder auch mal verreisen.
Das ist ja schon recht viel.
Und falls unsere Töchter einmal Kinder haben, möchte ich meinen Enkeln unbedingt Zeit schenken. Ich habe das bei meinen Eltern und Schwiegereltern gesehen, was das für eine wunderschöne, wertvolle Situation ist, wenn die Grosseltern da sind.
Gibt es nicht noch drängendere Dinge als Enkelkinder hüten?
Ich habe in meinem jungen Leben schon so viel erleben und machen dürfen, dass es nichts gibt, was sich aus heutiger Sicht aufdrängen würde. Ich bin noch jung, mein Leben kann und will ich nicht für die nächsten 20 Jahre durchplanen. Einfach gesagt: Augen offen halten, nehmen wie es kommt, zufrieden und gesund bleiben.
Lieblingsbuch: Ein bestimmtes Lieblingsbuch gibt es nicht. Ich lese gerne Martin Suter, aber auch Peter Stamm.
Lieblingsmusik: Mein Musikgeschmack ist sehr breit. Ich habe selber Klavier gespielt und in einem Gospelchor gesungen. Ein Kirchenkonzert mit Orchester und Chor begeistert mich ebenso wie ein Open-Air-Konzert von Pegasus. Ich mag Amy MacDonald und bekomme Gänsehaut, wenn ein Zäuerle-Chor singt.
Lieblingsessen: G’hackets und Hörnli. Das Apfelmus mische ich aber nicht unter die Hörnli.
Lieblingsort: Mir gefällt der Alpstein. Im Kemmental gibt es einen Ort, den wir innerhalb der Familie unseren «Geheimplatz» nennen. Dort stehen eine Bank und ein Baum und man sieht auf die Bommer Weiher und auf Alterswilen.
Lieblingstier: Die Kuh. Kühe sind intelligenter als man denkt. Sie sind genügsam, bodenständig und haben einen sanften Charakter. Sie geben uns Milch. Für mich sind es perfekte Tiere.
Lieblingsauto: Mein Fiat 500. Er ist klein, wendig und sparsam. Ich finde immer einen Parkplatz. Ideal.
Was sagen Ihre Kinder über Sie? Sie sind stolz auf mich, was mich sehr freut. Wenn es zuhause ums Aufräumen geht, sei ich aber zu streng.
Und was sagt Ihr Mann?Er würde mich wieder heiraten. Ich ihn auch.
Wen würden Sie gerne mal treffen?Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mich würde interessieren, was sie privat für ein Mensch ist.
Ein Kompliment, das Sie sehr freut:Wenn mir jemand sagt: «Du bist immer noch die Gleiche». In dem Sinne, dass mir das Amt nicht zu Kopf gestiegen ist.
Womit bringt man Sie zum Lachen? Ich kann über vieles lachen und mache auch selber gern witzige Sprüche. Ich brauche den Humor, das ist für mich wie der Diesel für mein Auto.
Was macht Sie betroffen? Einzelereignisse. So zum Beispiel der plötzliche Tod von Peter Kummer. Er war für mich in seiner Art ein Vorbild.
Worüber regen Sie sich auf? Über Menschen, denen es nicht um die Sache geht, sondern nur darum, Staub aufzuwirbeln. Über fehlendes Fairplay, Ungerechtigkeit und narzisstisches Verhalten.
Was war Ihr mutigster Entscheid? Mit 35 Jahren für den Regierungsrat zu kandidieren.
Was macht Ihnen Sorgen?Die unvorhersehbare Verletzlichkeit unserer Gesellschaft gegenüber Terror oder Verbrechen.
High Heels oder Sneakers?Sneakers. Ich kann nicht gut auf Stelzen laufen.
Berge oder Meer?Berge zum Wandern, für Skitouren oder wegen der Aussicht.
Englisch oder Französisch? Französisch. Ist zwar schwieriger, hat aber die schönere Satzmelodie
Tatort oder Arena? Wenn, dann lieber Tatort.
Facebook oder Twitter? Facebook eher passiv, Twitter nutze ich nicht.
Coop oder Migros?Beides. Ich bin zwar eher ein Migros-Kind. Im Coop in Kreuzlingen habe ich aber eineinhalb Jahre während meiner Ausbildung an der Kasse gearbeitet.