Hormone verwirren den Falter

Im Kampf gegen den Apfelwickler setzen Thurgauer Obstbauern vermehrt auf eine biologische Bekämpfung: Mit Pheromonen verwirren sie die Männchen der braunen Falter, so dass sie die Weibchen nicht finden. Diese Methode kostet Zeit und damit Geld.

Michèle Vaterlaus
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Stefan Anderes zeigt einen reifen Apfel und einen Dispenser. (Bild: Andrea Stalder)

Stefan Anderes zeigt einen reifen Apfel und einen Dispenser. (Bild: Andrea Stalder)

EGNACH. Der Apfelwickler mag Äpfel. Die braunen, rund einen Zentimeter grossen Falter legen ihre Eier auf die Schale. Daraus schlüpft eine Raupe, die sich ihren Weg in den Apfel bohrt. Dort frisst sie die Samenanlage auf. Das hat zur Folge, dass der unreife Apfel vom Baum fällt, oder die Frucht anderweitig Schaden nimmt.

Dem können Bauern entgegenwirken, in dem sie klassische Pflanzenschutzmittel einsetzen. Doch von den Wicklern – neben Apfelwicklern sind dies auch Schalenwickler und Fruchtwickler – gibt es während der Saison mehrere Generationen. Ein Bauer müsste daher die Insektizide vier- bis fünfmal anwenden. Das kann zu Resistenzen führen. Stefan Anderes, Obstbauer aus Buch bei Egnach, setzt deshalb auf eine biologische Methode: Die Verwirrmethode.

Kein Einfluss auf die Menschen

An den Bäumen seiner Obstplantage hängen lauter rote, kabelähnliche Schleifen. Diese enthalten Pheromone. Das Hormon ist ein natürlicher Lockstoff, der von Insekten, Tieren und auch Menschen produziert wird, um das andere Geschlecht anzuziehen. Der Dispenser gibt die weiblichen Lockstoffe regelmässig ab und verwirrt damit die Männchen. Sie können so keine Partnerin finden. Sie sind verwirrt und es kommt zu weniger Befruchtungen rund um die Obstanlage. Es werden darum weniger Eier auf den Äpfeln abgelegt, und das Obst wird weniger beschädigt. «Auf den Menschen hat der Einsatz der Lockstoffe keinen Einfluss», sagt Stefan Anderes. Er bringt die Dispenser schon seit geraumer Zeit in seinen Anlagen an. Bereits als sein Vater den Hof noch betrieb, war der Lockstoff im Einsatz.

Duftwolke unter dem Netz

Jeweils im April, noch vor der Blüte, geht Anderes durch die Baumreihen und hängt in regelmässigen Abständen die Dispenser auf. Über der Plantage hat er zudem Hagelnetze aufgespannt. «Darunter sammelt sich der Lockstoff. Es entsteht sozusagen eine Duftwolke», sagt er. Das Aufhängen der Dispenser bedeutet für Anderes zwar Mehrarbeit. Zwei Tage rechnet er jeweils dafür. «Doch dafür hält die Schädlingsbekämpfung die ganze Saison an.» Günstiger als ein klassisches Pflanzenschutzmittel sei das natürlich nicht, sagt Anderes weiter. Aber es sei auch nicht teurer. Da die Verwirrtechnik keinen Einfluss auf die Menschen hat und keine Rückstände auf der Ernte hinterlässt, ist sie für Anderes die beste Methode im Kampf gegen den Wickler.

Im Rebbau bewährt

Urs Müller, Obstbauberater am Bildungs- und Beratungszentrum Arenenberg (BBZ) ist ebenfalls ein Fan der Verwirrmethode. «Seit 25 Jahren gibt es diese Methode bereits», sagt er. Neben den Vorteilen, dass sie biologisch sei und keine Rückstände auf dem Obst hinterlasse, würden die Falter auch keine Resistenzen entwickeln. «Rund zwei Drittel der gesamten Obstfläche im Kanton Thurgau sind bereits mit Dispensern versehen», sagt er. Je länger die Dispenser im Einsatz sind, umso wirkungsvoller seien sie. Einfach aus dem Grund, weil die Populationen der Wickler immer kleiner würden. Im Rebbau sei die Bekämpfung des Traubenwicklers mit Pheromonen sehr verbreitet. «Im Thurgauer Rebbau werden diese Dispenser flächendeckend eingesetzt.»

Zuversichtlich stimmen Müller vor allem neue Untersuchungen, die zeigen, dass es sogar mit ein bis zwei Dispensern pro Hektare möglich ist, gegen die Wickler anzukämpfen. «Heute sind es im Obstbau 400 bis 1000 Dispenser pro Hektare», sagt Müller. Gemäss den Untersuchungsergebnissen nehmen die Blätter der Obstbäume die Pheromone auf. Das ist der Grund, weshalb mit der Zeit wohl wenige Dispenser zur Bekämpfung der Schädlinge reichen könnten. So würde die Anwendung weniger zeitintensiv und damit auch günstiger für die Obstbauern. Nächstes Jahr will das BBZ entsprechende Versuche starten.

Ungünstige Lage

Dennoch gibt es auch Flächen, wo der Einsatz von Dispensern nicht funktioniert, wie Anderes sagt. Eine solche Anlage besitzt auch Stefan Anderes. Die Anlage sei zum einen zu klein. Zum anderen sei sie ungünstig gelegen, auf der einen Seite ein Wald, auf der anderen Seite die Strasse mit Laternen, deren Licht die Wickler anzieht.