Übermorgen wählt der Thurgauer Grosse Rat den CVP-Kantonsrat Gallus Müller zu seinem Präsidenten. Dem höchsten Thurgauer ist sowohl der Lärmpegel im Ratssaal als auch am Hinterthurgauer Himmel zu hoch.
AADORF. Politik ist wie joggen. «Beides braucht Ausdauer und Durchhaltevermögen», sagt Gallus Müller. Der CVP-Politiker ist politischer Langstreckenläufer und biegt an der nächsten Grossratssitzung nach 16 Jahren als Kantonsrat bereits in die fünfte Legislatur ein. Vor sich hat er nun den Aufstieg zum Präsidenten des Grossen Rates.
Das 17. Jahr als Kantonsrat wird deshalb für den 60-Jährigen ein ganz spezielles. Gallus Müller wird höchster Thurgauer. «Plötzlich ist es nun so weit. Ich freue mich auf dieses Amt», sagt der selbständige Bauingenieur in seinem Büro in Aadorf. Die Einladungen von Vereinen, Verbänden und Organisationen, die alle den Grossratspräsidenten bei sich begrüssen wollen, werden sich stapeln. «Das wird mir ganz viele neue Seiten des Thurgaus zeigen», sagt Müller.
Schon vor drei Jahren feierte Müllers Wohngemeinde Aadorf den höchsten Thurgauer. Der langjährige Gemeindepräsident Bruno Lüscher fuhr damals als neugewählter Grossratspräsident mit der traditionellen Kutsche in Aadorf vor. «Diesmal findet die Feier in Guntershausen statt», sagt Müller. Im Ort, der heute zur Gemeinde Aadorf gehört, ist er aufgewachsen, amtete er als Ortsgemeindeschreiber, später als Ortsvorsteher. «Damals kannte ich alle Leute in Guntershausen, heute nur noch einen Bruchteil.» Das kleine Dorf erlebte in den vergangenen Jahrzehnten einen grossen Bauboom. Bezahlbare Bodenpreise und die Bahnverbindung St. Gallen–Zürich machen das Dorf zu einem attraktiven Wohnort. Seit die SBB die kleine S-Bahn-Haltestelle in Guntershausen vor wenigen Jahren für ihren Bahnbetrieb der Zukunft hinterfragten, kämpft die Interessengemeinschaft Bahnhof Guntershausen für den Erhalt des Bahnanschlusses ihres Dorfes. Ihr Präsident ist Gallus Müller.
Müllers Gesinnung ist die CVP, das war für ihn schon immer klar. 20 Jahre lang sass er im Aadorfer Gemeinderat. Im Jahr 2000 wurde er in den Grossen Rat gewählt. «Ein Jahr später bin ich angefragt worden, ob ich das Vizepräsidium der Partei übernehme.» Zwölf Jahre hatte er dieses inne, bis er vor drei Jahren selber Präsident der CVP Thurgau wurde. «Die Parteileitung werde ich nach meiner Wahl zum Grossratspräsidenten auf null zurückfahren», sagt er. Als höchster Thurgauer habe er eine andere Funktion.
Möglicherweise übernimmt der CVP-Vizepräsident das Präsidentenamt für ein Jahr. Müller hüllt sich dazu in Schweigen. Erst wenn die Partei dieses Thema offiziell kommuniziert, ist es für ihn spruchreif.
Müller präsidiert auch den Thurgauer Hauseigentümerverband und ist Rechnungsprüfer bei den Hinterthurgauer Fluglärmgegnern. Der Lärmpegel sei auch im Grossen Rat regelmässig zu hoch. «Ich werde mich nicht scheuen, diesbezüglich zu intervenieren», sagt er. Mit Respekt habe es zu tun, den Rednern im Rat die Aufmerksamkeit zu schenken. Am meisten zu reden geben werden in seinem Amtsjahr wohl der kantonale Richtplan, die Kulturland-Initiativen und der Lehrplan 21. Müllers oberstes Ziel dabei: «eine gute Ratsführung.»
Müllers Durchhaltevermögen wird ihm dabei helfen. Nicht immer war er Läufer. Ein Turner ist er gewesen, hat gerne Gymnastik gemacht. Heute turnt er aber nicht mehr. «Ich musste meinen Rücken bereits dreimal operieren.» Joggen geht. Und über den ältesten seiner drei Söhne hat Familienvater Müller zum Orientierungslauf zurückgefunden, den er auch in jungen Jahren ausübte. Deshalb gilt es für Müller im Wald wie in der Politik: Die Orientierung nie zu verlieren, auch nicht in hitzigen Ratsdebatten, die er nun leitet.