Am zweiten Anlass von «Warth-Weiningen feiert» hat Heinz Bothien das Interesse an Kunst und Kultur der Thurgauer Klöster geweckt. Das Publikum war beeindruckt, dass viele der Inkunabeln einst der Kartause Ittingen gehörten.
WARTH-WEININGEN. «Sehen Sie auf den Schieferboden», fordert Heinz Bothien und deutet auf die in altdeutscher Schrift und lateinischer Sprache beschriebenen Tafeln. «Series Classium, Biblici, Sacrae Scriptureae Textus et Interpretationes», zitiert er und erklärt, dass es sich dabei um das Inhaltsverzeichnis der Kartäuserbibliothek von 1717 handelt. Und Joseph Kosuth, der die Installation «eine verstummte Bibliothek» im ehemaligen Weinkeller der Kartause Ittingen als begehbare und lesbare Konzeptkunst 1999 geschaffen hat.
Die 40 Besucher erhalten am Samstag im Rahmen des Jubiläums «Warth-Weiningen feiert» einen Einblick in die Bücherkunst und Kultur und merken, dass in den Klöstern neben theologischen, medizinischen, mathematischen, naturphilosophischen auch Schriften weiterer Wissensgebiete vertreten waren. Heinz Bothien, der ehemalige Kantonsbibliothekar, erzählt von der Thurgauer Klosteraufhebung im Juni 1848. Vom jungen Kanton, der Geld brauchte und begehrlich auf die Klöster schaute. Und wie Regierungsrat Johann Andreas Stähele, ein Vorfahr des ehemaligen Regierungs- und Ständerates Philipp Stähelin, erreichte, dass nur wenige Einzelwerke des Ittinger Klosterschatzes verkauft wurden.
Als eines der schönsten Inkunabeln gilt die Schedelsche Weltchronik von 1493. Sie bietet von Anbeginn der Welt bis zum Jahr 1493 nebst historischen Ereignissen auch geographische Informationen zu Städten und Gegenden. Sie fasziniert noch heute, denn der sechsjährige Julian verlangt bei seiner Mutter nach einem Stift und beginnt, eine Kartenansicht abzuzeichnen.
Nicht nur der Inhalt eines Buches, auch das Exlibris, die Buchmarke mit Angaben über den Besitzer, kann ein Kunstwerk und eine Wissensquelle sein. Bothien weist auf das Besitzkennzeichen auf der Innenseite des Buchdeckels eines Werkes von Juvenal.
Pfarrer Georg Alfred Kappeler hat es mit seinem Wahlspruch, dem Familienwappen, dem Hinweis auf seine Wirkungsstätte und seinem Namen personalisiert. Als Herkunftsort steht «Gynopediensis, die ins Altgriechisch rückübersetzte Bezeichnung für Frauenfeld.
Mönche waren nicht nur abgehobene Gelehrte, wie der Eintrag eines Kartäusers in einem dieser wertvollen Bücher beweist: «Lies es genau und du wirst viel Unsinn finden.»
Einzelne Bücher, wie Johann Wonneckes «Hortus sanitatis, Gart der Gesundheit» von 1496 sind noch heute aktuell. Denn die Kartause Ittingen legt 2015 den Fokus auf Gärten und Kräuter. Das Werk trägt als Bezeichnung «Sum Cartusiae Ittingensis» und besticht durch seine kolorierten Pflanzen und Tierdarstellungen. Während einzelne Anwendungsmöglichkeiten wie «Gesottener Knoblauch weicht Geschwüre auf und zieht den Eiter heraus» heute weniger in Gebrauch sind, ist Knoblauch gegen Erkältungen und Husten noch immer ein Hausmittel.
Bothien schafft es, Geschichte lebendig werden zu lassen. «Spannend, dieses umfassende Weltbild der Gelehrten damals, heute haben wir nur noch Spezialisten», findet ein Besucher. Eine Frau nimmt als Erkenntnis mit, «dass der Erfinder des Buchdrucks Johannes Gensfleisch hiess und nach seinem Wohnort, dem Hof zum Gutenberg, in die Geschichte eingegangen ist».