FRAUENTAG: «Frauen müssen Stolpersteine umgehen»

Am Mittwoch sprachen alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und die Thurgauer Regierungsrätin Cornelia Komposch über Frauen in der Politik. Im Gasthaus zum Trauben versammelten sich dafür rund 250 Interessierte.

Sara Carracedo
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Alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Cornelia Komposch sprachen zum Tag der Frau. (Bild: Sara Carracedo)

Alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Cornelia Komposch sprachen zum Tag der Frau. (Bild: Sara Carracedo)

Sara Carracedo

thurgau@thurgauerzeitung.ch

Die ersten Sitzreihen vor der Bühne sind binnen Sekunden gefüllt. Bis zur letzten Minute vor Beginn suchen Besucher noch freie Sitzplätze. Erfolglos, denn es wurde nur mit 80 bis 100 Gästen gerechnet, doch für den Anlass haben sich 230 Frauen und 20 Männer im Gasthaus zum Trauben eingefunden. Sie kamen am Mittwoch zum internationalen Frauentag. Ein Welttag, der als Initiative sozialistischer Organisationen in der Zeit um den Ersten Weltkrieg entstand. Dieser Tag steht für den Kampf um Gleichberechtigung, Wahlrecht für Frauen und Emanzipation von Arbeiterinnen. Es ist also kein Zufall, dass genau an diesem Tag die Gesprächsreihe «Frauenpersönlichkeiten im Gespräch» der Thurgauer Frauenzentrale startete.

«Plakate, die gegen das Frauenstimmrecht warben»

Während fast zweier Stunden stellte Moderatorin Cäcilia Bosshard-Galmarini ihren politischen Gästen, alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und Thurgauer Regierungsrätin Cornelia Komposch, Fragen über ihren Werdegang und die damit verbundenen Hindernisse. So erfuhr das Publikum von Widmer-Schlumpf, was ihr Ansporn war und wie alles begann: «Mit 15 Jahren sah ich die Plakate, die gegen das Frauenstimm- und Wahlrecht warben. Mein Vater war damals in der Regierung und setzte sich sehr für das Frauenstimmrecht ein. Eines Tages hörte ich, wie an einer Versammlung jemand zu meinem Vater sagte, er setze sich doch nur für die Frauen ein, weil er nur drei Töchter habe». Diese Aussage habe Widmer-Schlumpf dermassen gestört, denn sie seien nicht einfach nur Töchter gewesen.

Nebst ihrer Arbeit als Juristin und ihrem Einsatz in der Politik war die alt Bundesrätin auch Mutter dreier Kinder und Ehefrau. «Diesen Spagat schaffte ich nur, weil ich eine Mutter hatte, die stets hinter mir stand, und einen Mann, der mich immer unterstützte», schwärmt Wid­mer-Schlumpf. Das Wichtigste sei aber stets die offene Kommunikation mit ihrem Ehemann gewesen: «Ich habe von Anfang an klar meine Wünsche und Erwartungen geäussert, und das hat sich bewährt. Ich konnte immer auf meinen Mann zählen, denn beide müssen das Lebensmuster wollen und so leben können.»

Jungen Frauen Mut gemacht

Auch Cornelia Komposch weiss, wie wichtig es ist, über die eigenen Vorstellungen sprechen zu können. Die Mehrfachbelastung als Mutter und Berufstätige könne ein Stolperstein in einer politischen Karriere sein: «Jede muss sich bewusst sein, auf was sie sich einlässt und was es heisst, in der Öffentlichkeit zu stehen. Es ist wichtig, dass man mit der Familie abgesprochen ist, damit der Partner mitziehen und unterstützen kann». Die Thurgauer Regierungsrätin hat aber noch weitere Tipps: «Mutig sein und sich etwas zutrauen – das ist ausschlaggebend, und wir Frauen trauen uns oft weniger zu, als es die Männer tun». Offen gibt Komposch den jungen Besucherinnen mit, sie sollen den Willen haben, etwas Neues zu entdecken, und für das kämpfen und einstehen. Dies seien die Voraussetzungen, um Stolpersteine zu umgehen.

Die beiden Politikerinnen konnten mit ihren Reden und Tipps vor allem auch junge Besucherinnen ansprechen. So wurden die Erwartungen von Lisa Meienberger, Münchwilen, übertroffen: «Es standen zwei sehr starke Persönlichkeiten auf der Bühne. Obwohl es beide in ihrer Karriere nicht einfach hatten, haben sie sich nie in der Opferrolle gesehen, sondern gezeigt, was alles möglich ist.» Etwas konnte sie für sich mitnehmen: «Ich habe ab jetzt mehr Mut, mich an Sachen zu wagen, die ich machen will.»