Lokalpolitik ist ja so lustvoll. Im Rathaus debattieren unsere Volksvertreter über stinkende Geschäfte, werfen mit Bibelzitaten um sich, wettern gegen Steh-Apéros und hören Strassen reden. Ein nicht ganz bierernstes Best-of aus dem Gemeinderat.
Gesammelt von Mathias Frei
mathias.frei@thurgauerzeitung.ch
Papier ist geduldig – zum Glück. Das gilt für Journalisten wie für Politiker. 280 Seiten Protokoll resultierten zwischen Dezember 2015 und Oktober 2016 aus zehn Parlamentssitzungen. Es sind sprachliche Kuriosa und epische Rededuelle. Folgend die bemerkenswertesten Voten.
«Ein Licht, das von innen her leuchtet, kann nicht gelöscht werden. Hoffen wir, dass uns heute bei unserer Budgetberatung auch ein Licht aufgeht.»
Wer hofft das nicht, Frau Gemeinderatspräsidentin Eveline Buff (Grüne)?
«Bei der ganzen Bearbeitung des Lindenspitzes wurde ein Papierpapagei hergestellt.»
Andreas Elliker (SVP) ist einfach ein Tierfreund.
«Würde die Bahnhofstrasse sprechen können, so hätte sie doch einige Geschichten zu erzählen.»
Zum Glück können Strassen nicht sprechen, Herr Stadtrat Urs Müller.
«Wenn Sie nun nach etwa sieben bis acht Minuten etwas unruhig werden, bedenken Sie bitte, dass Sie diesmal nur ein Eintretensvotum der GPK hören und nicht mehr zwei wie früher.»
Peter Hausammann (CH) weiss eben, wie er seine Zuhörer bei Laune halten kann.
«Wenn ich Ihnen heute mein Votum des Budgets 2015 vorgelesen hätte, Sie würden es kaum merken.»
Hat eigentlich jemand überprüft, ob Pascal Frey (SP) wirklich ein neues Votum verfasst hat?
«Es ist so schön weit unten. Da nützt sogar das Gürtel-enger-Schnallen nichts. Da müsste ich wirklich in die Knie gehen, aber ich habe jetzt den Gürtel enger geschnallt. Das ist ja die eine Art und Weise, um in Form zu kommen, allerdings geht das bei mir fast nicht mehr und bei anderen nur mit tiefem Atemholen.»
Der bedauernswerte Herr Stadtpräsident Anders Stokholm. Seine Frau behauptet übrigens, er könne seinen Gürtel schon noch enger schnallen.
«Es ist meines Erachtens nicht Aufgabe der Stadt, Mittagessen von Kantonsräten zu berappen.»
Thomas Gemperle (SVP) ist nicht dazu eingeladen.
«Ich erinnere Sie daran, der Abschluss der Legislatur hier für die Gemeinderäte war ein Steh-Apéro. Das war eine sehr ungemütliche Geschichte, nachdem das früher immer ein gehobener Anlass war.»
Fredi Marty (MproF) wünscht sich alle vier Jahre ein Gelage – wie früher.
«Jetzt habe ich das Mikrofon wieder und bringe mich nicht mehr aus dem Konzept. Es tönt fast ein bisschen nach Auge um Auge, Essen um Essen.»
Stapi Stokholm entgegnet mit einem Bibelzitat.
«Fugit hora sine mora. Die Zeit verrinnt, ohne innezuhalten. Deshalb packen wir es gleich an.»
Ratspräsidentin Buff hat es offenbar ziemlich pressant.
«Jetzt kann wirklich niemand mehr sagen, ich bringe die 500 Unterschriften nicht mehr zusammen. Wenn etwas mehr als einen oder zwei Gemeinderäte juckt, wenn es wirklich ein bisschen ein Problem ist, dann bringt man diese Unterschriften zusammen, sogar im tiefsten Winter.»
Von Peter Hausammann. Wenn zwei Gemeinderäte Juckreiz haben, waren sie vielleicht in derselben Sauna.
«Mein Fazit ist, die Badipreise steigen einfach für alle. Diesen stadträtlichen Entscheid verstehe ich angesichts der Tatsache, dass heutzutage wohl niemand mehr unser Bad aufsuchen muss, bloss weil er dreckig ist, und das dürfte für Einheimische ebenso gelten wie für Auswärtige.»
Benjamins Strickers (CH) unmissverständlicher Beitrag zum Hausammann’schen Hygiene-Diskurs.
«Nachdem ich heute bereits zum zweiten Mal eine grosse Diskussion zum Thema Dialekt ausgelöst habe, probiere ich selbstverständlich auch einmal, Hochdeutsch zu sprechen. Ich musste bereits heute Vormittag in meiner Kantonsratsfraktion mit relativ starken Emotionen dagegen ankämpfen, dass man im Kantonsrat auch weiterhin vernünftig reden kann.»
Wer hätte das geglaubt? Stefan Geiges (CVP) spricht einwandfrei Hochdeutsch.
«Es hat nun eine ganz lebhafte Diskussion gegeben. Nicht schlecht. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir ja schön Zeit haben und nicht schon nach 50 Minuten das Sitzungsgeld einstreichen können.»
Peter Hausammann macht’s nicht für Geld.
«Ich will mit meinen Ausführungen auch noch etwas mithelfen, damit Peter Hausammann wieder mit einem guten Gewissen nach Hause gehen und sagen kann, ich habe das Sitzungsgeld verdient.»
Stadtrat Huber ist hilfsbereit.
«Die Gemeinderatssitzung ist somit beendet. Ich entlasse Sie ins grosse Bier.»
Muss für Gemeinderatspräsidentin Buff eine harte Sitzung gewesen sein.
«Man kann mir sicher nicht nachsagen, dass ich mit Bäumen nichts zu tun haben will.»
Robert Zahnd (SVP) wird nachgesagt, dass er in seiner Freizeit Bäume umarmt.
«Ich bin gespannt, ob das Mikrofon überhaupt richtig tönt. Hier oben hört man Sie leider sehr schlecht, geschätzte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte.»
Stapi Stokholm ist einfach zu gross.
«Ich habe persönlich keine Lust, dass aus Frauenfeld ein Küsnacht am Zürichsee wird oder ein St. Moritz.»
Lokalpatriot Michael Lerch (FDP).
«Ich wollte zuerst eigentlich nichts zu diesem Thema sagen, aber jetzt hat mich doch der Hafer gestochen.»
Marcel Epper (CVP) ist Anwalt. Er baut hobbymässig Hafer an.
«Wenn Sie die jetzige AG mit einem Adler vergleichen, der hoch in der Luft seine Kreise zieht oder gezogen hat, dann wird die zukünftige, reduzierte AG ein gläserner Spatz mit gestutzten Flügeln im Käfig des Gemeinderats sein.»
Ein hochpoetisches Bild von Stadtrat Huber.
«Aber der Ferrari steht nun mal im Dreck. Und der Ferrari muss aus dem Dreck. Und für das braucht es einen Traktor und nicht ein Boot oder irgendetwas, was den Ferrari noch weiter in den Dreck zieht.»
Einmal mit seinem Traktor einen Ferrari abschleppen: Das ist Andreas Ellikers Traum.
«Ich bin immer müde um acht, aber gegen zehn werde ich wieder fit, dann dauert es noch Stunden, bis ich ins Bett muss.»
Genau so laufen Heinrich Christs (CH) Abende ab, wenn er keine Politik macht.
«Meine Damen und Herren Gemeinderäte, wieso machen wir in letzter Zeit so viele parlamentarische Vorstösse. Haben wir Gemeinderätinnen und Gemeinderäte zu viel Zeit?»
Das ist eine rhetorische Frage von Stefan Geiges.
«Wenn man bedenkt, dass die geringste Stimmenzahl für einen gewählten Gemeinderat 661 Stimmen sind und die meisten unter uns weit über tausend Stimmen erhalten haben, so habe ich rein philosophisch betrachtet ein mathematisches Problem.»
Und Geiges kann auch philosophieren.
«Entweder muss man ein Münzkässeli zu Hause haben oder sonst füllt das Retourgeld des Automaten mein Münzfach und macht mein Portemonnaie breit. Und dann wird in den Kreiseln auch noch die Standfestigkeit der Kunden recht geprüft.»
Dieses cheibe Münz und diese cheibe Kreisel. Samuel Kienast (EVP) ist enerviert.
«Ich wusste auch, dass dies meine einzige Chance war, einmal grösser als unser Stadtpräsident zu sein.»
Eveline Buff musste einfach Ratspräsidentin werden.
«Ich habe natürlich sehr gern gehört, dass Gemeinderat Thomas Gemperle ausdrücklich gesagt hat, dass die Weihnachtsbeleuchtung eine Aufgabe der Stadt sei. Ich werde ihn diesbezüglich immer wieder gern zitieren.»
Er steht für die Weihnachtsbeleuchtung ein: Stapi Stokholm.
«Ganz zu schweigen von den Interpunktionsfehlern, allem voran Kommafehler, die manchmal nur noch peinlich sind.»
Fredi Marty lässt kein gutes Haar am externen Korrektorat der Gemeinderatsprotokolle.
«Es ist ja wichtig, dass man nicht vom Hörensagen etwas schreibt. Wir haben das in der Zeitung erlebt. Mathias Frei hat unsere Fussballmannschaft als ein bisschen schlapp dargestellt. Ich möchte dem an dieser Stelle in aller Form widersprechen.»
Zu Recht regt sich Stapi Stokholmüber die lokale Lügenpresse auf. Da wird so viel Seich geschrieben.
«Seither ist viel Wasser durch die Kläranlage Frauenfeld geflossen, und dieser Rat beschäftigte sich in Dutzenden von Stunden mit eben dieser Thematik. Zu Recht. Aber wer hätte gedacht, dass unsere stinkenden Geschäfte diesen Rat einmal dermassen beanspruchen würden?»
Was für stinkende Geschäfte hat Michael Hodel (EVP) wohl am Laufen?
«Wir befinden uns wie bei einem Leiterlispiel tatsächlich wieder auf Feld 1.»
Eine Spielernatur: Stadtrat Huber.
«Ich finde es ein bisschen kompliziert, was da abgeht, das muss ich offen sagen.»
Das Leben ist eben kein Ponyhof, Herr Gemeinderat Elliker.
«Für unsere Kinder ist es unterdessen ein richtiges Erlebnis, an der neuen Entsorgungsstelle die verschiedenen Schlitze zu bedienen und die Entsorgungsgüter einzuwerfen.»
Michael Hodel und seine Familie machen gerne Wochenendausflüge.
«Ich bitte Sie deswegen um Nachsicht, lieber Stadtpräsident. Ich habe gar nichts gegen Sie. Im Gegenteil, ich finde Sie sehr nett und stets freundlich. Aber vielleicht sind Sie ja ein bisschen zu nett.»
Fredi Marty kennt Stapi Stokholm nicht, wenn er mal nicht nett ist.
«Ich habe den ironischen Unterton gehört, ich versuche nett zu bleiben.»
Stokholm versucht, nett zu bleiben, kocht aber wohl innerlich.