Am Peregrina-Cup 2016 in Frauenfeld haben Flüchtlinge in einem Fussballturnier um den Sieg gespielt. Nebst Spiel und Spass gab es auch Preise zu gewinnen. Viel wichtiger ist aber, dass ihr Status und ihre Vergangenheit für einen Moment in den Hintergrund gerückt ist.
FRAUENFELD. «Hallo, mein Name ist Isias Esias», sagt der junge Herr mit freundlicher Stimme und einem Lächeln im Gesicht. «Ich komme aus Eritrea», sagt der 21-Jährige in gutem Deutsch. Gerade hat er mit seinem Team «Red Sea» das Auftaktspiel zum Peregrina-Cup 2016 gegen «Schahin» 2:0 gewonnen. Hartnäckige Zweikämpfe, schöne Dribblings, gute Schüsse und tolle Tore. Doch viel wichtiger als der Fussball ist, dass sich die Teilnehmer für einmal ablenken können.
Zum viertenmal in Folge haben sich gestern Flüchtlinge beim Durchgangsheim Frauenfeld an der Häberlinstrasse beim Fussball gemessen – trotz sommerlicher Hitze. Mitgespielt hat auch ein Team aus Mitarbeitern der Peregrina-Stiftung, welche die Flüchtlinge in den fünf grossen Thurgauer Durchgangsheimen betreuen. Ilaz Murati, einer der Betreuer, hat den Peregrina-Cup 2016 organisiert. «Es geht auch um den Spass und ums Kennenlernen», sagt er. Die Flüchtlinge würden noch lange danach vom Fussballcup erzählen. «Für sie ist Fussball viel mehr als für uns», sagt Murati, der mit dem Frankreich-Trikot von manchem angesprochen wird, nachdem Frankreich an der Euro 2016 im Final steht.
Das Leder rollt, es wird um jeden Ball gesprintet, und die Torhüter wehren ab, so gut es geht. Am Spielfeldrand wird beobachtet, mitgelitten und mitgefiebert. Mütter feuern aus den Fenstern ihre Söhne an, nebenbei kochen sie das Mittagessen, es duftet orientalisch. Manche kennen sich, geben sich die Hand und betreiben Smalltalk. «Viele haben sich im Empfangs- und Verfahrenszentrum in Kreuzlingen zuletzt gesehen», sagt Anja Grunder. Sie betreut heute die Flüchtlinge aus Hefenhofen, die im Team «Amriswil 1» spielen. Danach seien sie getrennt voneinander in einzelne Durchgangsheime gekommen. Mit ihren Schützlingen hat sie sich vorbereitet. «Wegen des Ramadans und des heissen Wetters wurden die Trainings aber schwierig», sagt Grunder. Und selber spielt sie auch mit – im Peregrina-Team. Der nächste Gegner heisst «Amriswil 2». Dort spielt auch der 20jährige Hossieni Habib aus Afghanistan. «Ich bin jetzt neun Monate in der Schweiz», sagt er in gebrochener Sprache. Seine Familie flüchtete nach Iran, während er zusammen mit Freunden sein Glück in Europa suchte. «Wir waren ein Jahr mit Schiffen, Bussen oder zu Fuss über die Türkei unterwegs», sagt Atif Hussain. «Die Schweiz ist super, denn hier gibt es keine Kriege.» Geflüchtet sind sie wegen der Taliban, aber auch wegen der Hoffnungslosigkeit.
Beim Peregrina-Cup gibt es ein kurzes Freispiel für die Flüchtlinge. Die Leidenschaft für den Fussball lässt sich in ihren Augen ablesen, ob sie nun aus Afghanistan, Äthiopien oder Sri Lanka kommen. Einige wohnen in den Durchgangsheimen, andere mit F- oder B-Status werden von der Peregrina-Stiftung betreut. «Wer gewinnt, ist unwichtig», sagt Beat Keller, stellvertretender Leiter des Durchgangsheims Frauenfeld. Der Cup ähnele ein bisschen einem Grümpeli. «Da ist wichtig, dass sich die Teilnehmer nirgendwo hineinsteigern», sagt er. Für die Trikots hat sich die Stiftung bemüht, das Schuhwerk mussten die Teilnehmer organisieren. So kommt es, dass auf der schattigen Seite des Feldes viele ausrutschen. Nichts passiert, aufstehen, weiter geht's. Es wurde alles durchdacht, und doch geschieht manchmal Unplanbares. Statt als Schiedsrichter zu fungieren, muss Keller kurzerhand ein Eintrittsgespräch eines Flüchtlings organisieren. Bei der Partie – ein anderer Betreuer hat die Spielleitung übernommen – fliegt der Ball in Richtung Bahngleise. Ein Ersatzball muss her, denn die Uhr läuft. Gespielt werden jeweils neun Minuten.
Beim nächsten Spiel wird's laut. Auf dem Platz trifft «Arbon 2» auf Weinfelden. Am Spielfeldrand wird angefeuert. Kundumani Santhosh vom Team «Coca-Cola» leidet mit. Er flüchtete mit seinem Bruder und seinen zwei Schwestern vor dem Krieg in Sri Lanka. Heute ist er froh, in der Schweiz zu sein. Mit seinen Geschwistern, sie leben in Heimen im Kanton Zürich, hat er noch oft Kontakt.
Gewonnen hat den Peregrina-Cup «Amriswil 1». Im Final konnten sie «Red Sea» mit Isias Esias besiegen. Preise erhalten aber alle Teilnehmer, unabhängig ihrer fussballerischer Fähigkeiten. Die Sieger haben dennoch einen kleinen Vorteil, denn sie dürfen sich als erste am Gabentisch mit Rucksäcken, Shampoos oder USB-Sticks bedienen. Am Cup haben schliesslich alle gewonnen, denn für eine kurze Zeit ist ihr Status als Flüchtling und ihre Vergangenheit vergessen gegangen. Übrigens: Das Peregrina-Team wurde schliesslich Vierte, trotz Ilaz Murati im Sturm mit dem Les-Bleus-Trikot.