Vor dem Entscheid über die Leistungsüberprüfung rufen die Fraktionen im Thurgauer Grossen Rat zur Geschlossenheit auf. Am umstrittensten sind der Pendlerabzug und die Gebühren für die Wassernutzung und den ökologischen Leistungsnachweis.
FRAUENFELD. SVP-Fraktionschef Stephan Tobler weist den Protest der Segler und Motorbootfahrer zurück. Fast alle Kantone würden eine Gebühr für die Nutzung der Wasseroberfläche erheben. Ebenso müsse ein Café zahlen, wenn es Stühle und Tische auf öffentlichen Grund stellt. Vertreter der Bootsfahrer bedrängen zurzeit die Kantonsräte mit Telefonanrufen. Denn am Mittwoch berät der Thurgauer Grosse Rat über die durchschnittlich 450 Franken pro Jahr, die ein Bootsliegeplatz am Bodensee zusätzlich kosten soll. Traktandiert sind acht Gesetze und zwei Verordnungen, die für die Umsetzung der Leistungsüberprüfung (LÜP) geändert werden müssen.
Tobler erinnert daran, dass alle Häfen lange Wartelisten der Mietinteressenten führen. «Es ist auch eine Frage von Angebot und Nachfrage.» Der Egnacher Gemeindeammann hat sich selber in eine Warteliste für einen Bootsliegeplatz eingetragen. Er glaubt, die Mehrheit seiner Fraktion werde die Wassernutzungsgebühr mittragen. Es gebe schon «Leute vom Untersee», die es anders sähen. Die Gegner stellten sich gerne als die einzigen Betroffenen hin. Dabei seien es 102 Massnahmen: «Jeden Thurgauer trifft es irgendwie.»
Aus der SVP ist bereits ein Referendum gegen die Begrenzung des Pendlerabzugs angedroht worden. Laut Tobler wird die Fraktionsmehrheit dennoch das ganze LÜP-Paket unterstützen. Dies, obwohl auch andere Punkte zu reden geben werden. Dazu zählt Tobler die Gebühr für den ökologischen Leistungsnachweis und die Kreisreform. Die Gegner höherer Notariatsgebühren «werden ans Parteiprogramm erinnern, wo drinsteht, dass es keine neuen Gebühren geben soll».
Die vorberatende Kommission hat die Grenze des Pendlerabzugs auf 6000 Franken erhöht, aber die Kilometerpauschale reduziert. Damit brächte die Massnahme dem Kanton – wie in der regierungsrätlichen Fassung – fünf bis sechs Millionen Franken, den Gemeinden rund zehn Millionen Franken. SP-Fraktionschefin Cornelia Komposch erwartet einen Antrag für die Rückkehr zur regierungsrätlichen Fassung. «Ich habe Sympathie dafür.» Die Frau Gemeindeammann von Herdern und SP-Regierungsratskandidatin hat auch Verständnis für die Eigentümer kleiner Boote. Sie nimmt an, dass die Wassernutzungsgebühr abgestuft erhoben wird.
Die SP habe die LÜP ursprünglich abgelehnt. Das Paket sei dann besser herausgekommen als befürchtet. «Jetzt wehren wir uns dagegen, dass es zerfleddert wird», sagt Komposch. «Wir wollen die Kantonsfinanzen sanieren.» Sie akzeptiere es auch, dass Herdern zukünftig 10 000 Franken jährlich an die Kantonsbibliothek zahlen muss. Bisher habe die Gemeinde freiwillig 4000 Franken gegeben. «Man kann hinter der neuen Bemessungsgrundlage stehen.»
«Ich hoffe, dass das Paket durchgeht», sagt auch CVP-Präsident Gallus Müller, Guntershausen. Er stehe hinter der Kommissionsfassung. Das sei seine persönliche Meinung, die Fraktion habe noch nicht alle Punkte beraten. Zu reden geben werde einiges: «Überall ist eine Lobby dahinter.» Bei den Kreisreformen sei es an der Zeit, einen Schritt weiterzugehen.
Die FDP stellt sich hinter das LÜP-Paket, «obwohl auch wir auf einige Massnahmen gerne verzichtet hätten», wie die Kantonsräte Kristiane Vietze (Frauenfeld) und Ueli Oswald (Berlingen) mitteilen. Wenig begeistert seien sie von der Begrenzung des Pendlerabzugs und «Gebühren ohne Gegenleistung» wie jene für die Bootsstationierung. Doch hätten alle eine Kröte zu schlucken. Die Kostenentwicklung müsse weiterhin beobachtet werden. Der Kanton werde nach der LÜP weiterhin ein strukturelles Defizit haben, wenn auch ein wesentlich kleineres.
Die öffentliche Sitzung des Grossen Rats beginnt um 9.30 Uhr im Rathaus Weinfelden.