Eine Suppe für das Volk

Julius Maggi ist einer der grossen Söhne Frauenfelds. Seine Fertigsuppen und die Maggi-Würze entwickelte er allerdings in Kemptthal. Aufgewachsen ist der Unternehmer und Tüftler in der Neumühle an der Murg.

Inge Staub
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Eine Maggi-Angestellte macht mit einer riesigen Maggi-Flasche Werbung. Undatierte Aufnahme. (Bild: KEYSTONE/Str)

Eine Maggi-Angestellte macht mit einer riesigen Maggi-Flasche Werbung. Undatierte Aufnahme. (Bild: KEYSTONE/Str)

Dem Unterricht zu folgen, das war nicht sein Ding. Mehrfach lief er seinen Lehrern davon, häufig wechselte er die Schule. Wahrscheinlich fand es Julius Maggi interessanter, beim Mahlen des Getreides in der Neumühle zu helfen oder an der Murg entlang zu streunen. Der Erfinder der Maggi-Suppen erblickte vor 170 Jahren am 9. Oktober 1846 in der Thurgauer Kantonshauptstadt das Licht der Welt.

Als politischer Flüchtling in die Schweiz

Vater Michael Maggi aus Monza kam 1834 als politischer Flüchtling in die Schweiz. Er hatte als Medizinstudent in Padua an einem Putsch gegen Österreich teilgenommen. Maggi verdiente zunächst in Zürich als Obsthändler sein Geld. 1839 kaufte er für 29 000 Gulden die Neumühle in Frauenfeld samt Säge, Hanfreibe und Ökonomiegebäude und liess sich in der Thurgauer Kantonshauptstadt nieder. Als Geschäftsmann mit Immobilien konnte er ans Heiraten denken. Sophie Esslinger, Tochter eines Zürcher Lehrers, brachte einen Sohn mit in die Ehe und schenkte fünf weiteren Kindern das Leben. Michael Johannes Julius war der jüngste der Geschwister.

Frauenfeld war nur eine kurze Station in seinem Leben. Julius Maggi verbrachte hier, wie in Frank Wedekinds «Maggi-Zeit» zu lesen ist, «eine idyllische Kinder- und Jugendzeit». Er besuchte vier Jahre lang die Volksschule und einige Zeit die Kantonsschule in Frauenfeld, ferner wurde er Erziehern in Embrach und Winterthur anvertraut, bevor ihn die Eltern auf ein Internat in Yverdon schickten. Es folgte eine kaufmännische Lehre in einem grossen Handelshaus in Basel. 1867 trat Julius Maggi in den Dienst eines Mühlenbetriebes in Budapest ein, wo er mit 21 Jahren zum stellvertretenden Direktor aufrückte. Nach zwei Jahren kehrte er in die Heimat zurück, um 26 Kilometer von Frauenfeld entfernt die Leitung der Hammermühle in Kemptthal zu übernehmen, die sein Vater einige Jahre zuvor gekauft hatte.

Am 1. Juli 1869 ging die Hammermühle in den Besitz von Julius Maggi über. Frauenfeld war zu diesem Zeitpunkt für die Familie schon passé. Sein Vater hatte die Neumühle verkauft, nachdem er sich mit der Stadt wegen Steuerangelegenheiten überworfen hatte.

Mühlenbesitzer Julius Maggi heiratete. Doch seine Frau, Helene Katharina Magdalena Gyr aus Einsiedeln, starb vier Jahre nach der Hochzeit. Sie brachte zwei Kinder zur Welt, wobei nur eines überlebte. Aus der zweiten Ehe mit Louise Müller, einer Pfarrtochter aus Seebach, gingen drei Töchter und ein Sohn hervor.

Fabrikarbeiter ernährten sich schlecht

Zu jener Zeit befand sich die Mühlenbranche in einer schweren Krise. Eine Studie über die schlechte Ernährung der Fabrikarbeiter brachte Maggi auf die Idee, nahrhafte Suppen zu entwickeln. Er pröbelte zwei Jahre lang mit Leguminosen. 1884 präsentierte er die kochfertige Trockensuppe, deren Grundlage ein Mehl aus Erbsen, Bohnen und Linsen war. Zwei Jahre später erfand er die Suppenwürze. Und so wurde die Hammermühle in Kemptthal zur Fabrik für Maggi-Produkte. Überzeugt von seinem Erfolg, gründete Unternehmer Julius Maggi Niederlassungen in Paris (1898), Berlin, Singen (1897), Wien, Bregenz und London.

Hans Peter Treichler schreibt über den Tüftler: «Er war ein neugieriger Mensch, vielseitig interessiert, betrieb seine Maschinen schon früh mit elektrischem Strom, schaffte als einer der ersten Fabrikanten des Landes ein Automobil an.» Auch soll er von einer selbstversorgenden Gemeinschaft rund um seine Fabrik mit eigenen Arbeitersiedlungen geträumt haben: Maggiland zwischen Frauenfeld und Zürich.

Im Spätsommer 1912 erlitt er mitten in einer Sitzung einen Schlaganfall und starb wenig später am 19. Oktober im Alter von 66 Jahren in einem Sanatorium in Küsnacht.

Bereits 1890 machte Julius Maggi mit Plakaten auf seine Suppen und die Würze aufmerksam. (Bild: Archives Historiques Nestlé, Vevey.)

Bereits 1890 machte Julius Maggi mit Plakaten auf seine Suppen und die Würze aufmerksam. (Bild: Archives Historiques Nestlé, Vevey.)

Unternehmer Julius Maggi um das Jahr 1900. (Bild: Historiques Nestlé, Vevey.)

Unternehmer Julius Maggi um das Jahr 1900. (Bild: Historiques Nestlé, Vevey.)

Die Neumühle musste weichen: In den 20er-Jahren beherrschte die Industrie das Bleiche-Areal in Frauenfeld. (Bild: Stadtarchiv Frauenfeld)

Die Neumühle musste weichen: In den 20er-Jahren beherrschte die Industrie das Bleiche-Areal in Frauenfeld. (Bild: Stadtarchiv Frauenfeld)