Die Holzbibliothek im Naturmuseum Thurgau zieht Interessierte von weither an. Es ist eine der vollständigsten und besterhaltenen Ausgaben dieser 200jährigen Spezial-Herbare überhaupt.
FRAUENFELD. Auf den ersten Blick könnte man sie für Bücher halten: Wie in einer Bibliothek stehen sie Deckel an Deckel in einer Reihe. Einzig die Buchrücken machen stutzig: Birkenrinde da, Weidenrinde dort, Pappelrinde auf dem nächsten. Und wo eines der Bücher aufgeklappt ist, kommt die grosse Überraschung. Die Buchdeckel sind komplett aus dem Holz gefertigt, das zur Rinde auf dem Rücken gehört. Und im Innern der Kassetten sind fein säuberlich getrocknete Blätter, Äste, Blüten und Früchte des jeweiligen Baums befestigt. Da findet sich auch ein Käfer – der Schädling zum Baum.
135 Bände je zu einer Baumart umfasst die Holzbibliothek des Naturmuseums Thurgau. Ihr ist derzeit eine eigene Ausstellung gewidmet. Gefertigt hat sie der bayrische Benediktinermönch Candid Huber um 1800. Ein Dutzend seiner Holzbibliotheken sind erhalten geblieben. Jene des Naturmuseums ist eine der umfangreichsten und besterhaltenen.
«Uns war gar nicht bewusst, was wir da haben», sagt Museumsdirektor Hannes Geisser. Jahrzehntelang schlummerte die Holzbibliothek in einem Schrank auf dem Estrich. Erst als der Dachstock für den Umbau geräumt wurde, nahm jemand die Stücke in die Hand und öffnete sie.
Zur Holzbibliothek gehört die «Kurzgefasste Naturgeschichte der vorzüglichsten baierischen Holzarten». Der Erläuterungstext von 1793 erklärt Aussehen und Kultur der Bäume und Sträucher aus der Holzbibliothek. Sie zeigt auch, wozu das jeweilige Holz, sein Harz oder die Früchte am besten geeignet sind – für bautechnische, handwerkliche oder medizinische Zwecke. «Das Wissen damals war enorm», sagt Geisser. Er fände es spannend, den damaligen Wissensstand mit demjenigen in einer heutigen Forstschule zu vergleichen.
Mit der «Kurzgefassten Naturgeschichte» und der Holzbibliothek waren wirtschaftliche Interessen verbunden – gerade bei den Klöstern als Waldbesitzer. Die Wälder um 1800 waren übernutzt und befanden sich in einem schlechten Zustand. Um ihren Wert zu steigern, war forstwissenschaftliches Know-how gefragt.
Die Holzbibilothek sei ein Zwischenschritt zwischen der Wissenschaft, wie sie in Klöstern betrieben wurde, und der modernen Wissenschaft, die sich um jene Zeit von der Religion emanzipierte, sagt Geissers Stellvertreterin Barbara Richner. Sie betreut die Sammlung. Mönch Candid Huber habe ein «Buch der Natur» in Anlehnung an das «Buch der Bücher», die Bibel, gemacht. In beiden soll sich Gott offenbaren.
Die Ausstellung im Naturmuseum sorgt weit über die Kantonsgrenzen für Aufsehen. Auch aus dem Welschland kämen Interessierte extra angereist, berichtet Geisser. Zu sehen ist die Holzbibliothek noch bis Ostern. Es sei aber gut möglich, dass die Ausstellung noch verlängert wird, sagt Geisser.