DREH: Ein Hauch Kardamom

Jann Kessler hatte mit seinem Matura-Film «Multiple Schicksale» grossen Erfolg. Der 21-Jährige aus Felben-Wellhausen darf nun ein weiteres Projekt im Kino präsentieren. Dieses weist viele Parallelen zu seinem eigenen Leben auf.

Géraldine Bohne
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Jann Kessler filmt das Musikvideo für die Band The Rising Lights. (Bild: Reto Martin)

Jann Kessler filmt das Musikvideo für die Band The Rising Lights. (Bild: Reto Martin)

Géraldine Bohne

geraldine.bohne@thurgauerzeitung.ch

Sein Blick schweift vom kleinen Bildschirm der Filmkamera zum aufgebauten Set einer Band. Für die besten Aufnahmen springt er von einer Ecke in die andere, beugt sich und kniet auf den Boden. «Bei solchen Drehs komme ich weg von den starren Strukturen eines Filmdrehs.» Jann Kessler ist Jungfilmemacher und filmt in seinem eigenen Studio in Felben-Wellhausen ein Musikvideo für die Band The Rising Lights. Dieser Dreh gehört zu den kleineren Projekten des 21-jährigen Felbers. Sein jetziges grosses Projekt «Mit einem Hauch Kardamom» zeigt er morgen Samstag mit zwei Jungregisseuren im Kino Roxy in Romanshorn.

«Dinge, die mich beschäftigen, werden zur Kunst»

Der neue Film, ein 20-minütiges Drama, hat viele Parallelen zum Leben des Studenten: er handelt von Krankheit und Verlust. «Meine Filme widerspiegeln meine Geschichte.» Das Drama beschäftigt sich mit einer Mutter-Tochter-Beziehung, der Vater liegt im Wachkoma. Mutter und Tochter müssen entscheiden, ob sie den Vater leben oder sterben lassen sollen. «Ich habe grosse Mühe, Entscheidungen zu treffen, die für immer sind», sagt er. Mit der Kunst könne er Dinge, die ihn beschäftigen, verarbeiten. Doch nicht nur seine Angst vor Entscheidungen liess er in seinen Film einfliessen. Das eigene Schicksal spielt auch eine Rolle in seinem neusten Film. Seit Kindheit begleitet ihn ein schweres Schicksal. «Ich war fünf Jahre alt, als die Ärzte bei Mutter Multiple Sklerose diagnostizierten», sagt Kessler nachdenklich. Seiner Mutter geht es seit einigen Jahren so schlecht, dass sie sich weder bewegen noch ausdrücken kann. Seit seinem Eintritt in die Kanti liege sie im Pflegeheim. «Mit dem Filmen konnte ich schon früh meinem Zuhause ausweichen.» Als Zehnjähriger filmte er bereits «Die Wilden Hühner» mit der Kamera des Vaters. Immer mehr stürzte er sich in Projekte. «Ich wusste so wenig über meine Mutter vor der Krankheit.» Um sie kennen zu lernen, habe er dann als Maturaarbeit den Film «Multiple Schicksale» gedreht. Im Jahr 2015 gehörte der Film zu den zehn bestbesuchten Dokumentarfilmen der Schweiz. Bei seinem neuen Film «Kardamom» setzt er auf eine etwas ungewöhnliche Strategie. Er zeigt dem Publikum den Film unfertig. Es sei noch nicht alles geschnitten, die Musik noch in Bearbeitung. «Das ist ein Experiment.» Allgemein sei er sehr experimentierfreudig. Obwohl beim Dreh ein fertiges Drehbuch vorlag, seien sie stark davon abgewichen. Gefilmt hat Kessler während vier langen Tagen im Elternhaus in Felben. «Wir haben manchmal von sieben Uhr morgens bis um zehn Uhr abends gefilmt.» Den Film muss Kessler für seine Ausbildung an der Kunsthochschule in Lausanne produzieren. «Ich hatte einige Vorgaben zu der Anzahl Drehtage, der Länge und dem Inhalt», sagt er. Das Thema lautete «Das Verschwinden». Er selbst habe die Filmidee, dass wichtige Personen aus der Familie verschwinden, schon immer spannend gefunden. Ein halbes Jahr hatte er Zeit für seinen Film. Dieser sei wie das orientalische Gewürz Kardamom geworden: geheimnisvoll, spannend und undefinierbar.

Kurzfilmabend

Kino Roxy Romanshorn, 20.15 Uhr www.kino-roxy.ch