Wer auf der Hauptstrasse von Diessenhofen Richtung Paradies unterwegs ist, dem stechen nur noch Baumstümpfe ins Auge statt der 20 markanten Pappeln. Ein Fachmann sagt: «Schlimmer geht ein Schnitt nicht. Das ist eine Schandtat.»
DIESSENHOFEN. Das Ratihard ist nicht das Tägermoos. Im Ratihard wird intensiv Gemüsebau auf privatem Landwirtschaftsland betrieben, während sich im Tägermoos vor den Toren von Kreuzlingen und Konstanz die Städter in der öffentlichen Naturoase erholen.
Doch in beiden Fällen geht es um nicht heimische Hybridpappeln. Im Tägermoos wurden 41 Bäume gefällt, im Ratihard rund 20 Bäume geköpft. Im Tägermoos bildete sich eine Bürgerinitiative, die den Kettensägen Einhalt geboten hat. Inzwischen wachsen heimische Schwarzpappeln als Ersatz, von den Bürgern liebevoll umhegt.
Im Ratihard liess der Landbesitzer – Gemüsebauer Hansjörg Grob – seine Pappeln kürzen. «Wir müssen sie pflegen», sagt Armin Gredig, Geschäftsführer bei Grob Gemüsebau in Schlattingen. «Eine fachkundige Firma aus der Region wurde damit beauftragt.» Welche, will Gredig nicht sagen. Aber Gemüsebauer Hansjörg Grob lasse sich den Schnitt etwas kosten. «Wir wollen nicht, dass die schnellwüchsigen Bäume bei Sturm umfallen und jemand zu Schaden kommt.» Die Pappelreihe brauche es in der Landschaft, um den Wind zu brechen. Zudem munkeln Bewohner aus der Region, dass die kürzeren Bäume weniger Schatten auf die Gemüsefelder werfen und so der Ertrag weniger leidet. «Der Schattenwurf auch von grossen Bäumen beeinträchtigt die Kulturen kaum, vielmehr ist es der Wasserentzug durch die Bäume, und den nehmen wir gerne in Kauf», sagt Gredig.
Der Berner Baumpfleger Fabian Dietrich – er machte im Tägermoos das Baum-Gutachten – ist entsetzt, als er Fotos von den geköpften Pappeln sieht: «Das ist der Horror!» Die Arbeit sei unsachgemäss und unprofessionell ausgeführt worden. Er kenne die Hintergründe nicht, aufgrund der Fotos sei aber klar: «Da ist alles falsch gemacht worden. Das ist schlechter als manche Hobby-Tat.» Mit der Massnahme seien erst viele Probleme wie etwa Fäulnis und Instabilität geschaffen worden. «Das ist kurzfristig nicht das Problem, aber im Grunde ist es ein Tod auf Raten. Besser, die Bäume wären gleich ganz gefällt worden.»
Der Kopfschnitt der Pappeln erfolgte laut Geschäftsführer Gredig korrekt im Februar, bevor die Vögel brüten. Das bestätigt Robert Steinemann, Ornithologe und Ehrenpräsident der Naturschutzorganisation Turdus, die sich um die nahen Naturschutzgebiete Schaaren und Petri am Rhein kümmert. Steinemann trauert nicht um die «brutal abgesägten» Hybridpappeln. Ihm ist die intensive Gemüsewirtschaft an sich ein Dorn im Auge. Grossflächig abgedeckte Felder bieten den Zugvögeln nichts mehr zu fressen während ihrer Rast. «Er braucht vermehrt ökologische Brachestreifen in den Gemüsefeldern.»
Die Pappelreihe im Ratihard steht nicht unter Schutz. Das bestätigt der Diessenhofer Stadtschreiber Armin Jungi. Die Pappeln wachsen auch nicht im Wald. Deshalb sagt der Diessenhofer Revierförster Jakob Gubler: «Ich bin da nicht zuständig.» Zudem will er als Förster nicht die Arbeit eines Baumpflegers beurteilen. Doch dann rutscht ihm noch heraus: «Es ist jedenfalls keine Reklame.»