Bezirksgericht Weinfelden
Der Angeklagte ist ein grosser, eleganter Mann, gut gekleidet und mit langen weissen Haaren. Weniger elegant sind die Vergehen, die ihm die Staatsanwaltschaft Bischofszell zu Lasten legt. So soll der heute 60-Jährige Pfändungsbetrug, Vergehen gegen das Bankgeheimnis und gegen das Strassenverkehrsgesetz be-
gangen haben. Entsprechend hoch auch die Forderung nach einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten unbedingt, angesichts seiner Vorstrafen wegen Veruntreuung und Urkundenfälschung.
Die erste Hauptverhandlung am Bezirksgericht Weinfelden fand bereits vor eineinhalb Monaten statt. Zum Schluss des ersten Verhandlungstags sagte der Vorsitzende Richter Pascal Schmid: «Nachdem was wir heute gehört haben, sind die Widersprüche grösser geworden.» Deshalb hat das Gericht im März auch noch kein Urteil gefällt und zwei Auskunftspersonen aufgeboten für die erneute Verhandlung, die nun gestern stattfand.
Der Pfändungsbetrug, der dem Angeklagten zur Last gelegt wird, begründet auf dessen Aussagen, die er gegenüber einer Pfändungsbeamtin gemacht hat, oder viel mehr, die er nicht gemacht hat. Er hat sich ihr gegenüber als mittellos dargestellt und ein Konto verschwiegen, auf dem er rund 360 000 Franken hatte. Vor Gericht beteuerte der Angeklagte, die Pfändungsbeamtin habe ihn nie nach Konten gefragt: «Sie fragte nicht nach Konten, nur nach Vermögenswerten wie Autos, Häusern oder Hypotheken.» Diese Aussage wollte das Gericht jedoch nicht glauben, zumal die Pfändungsbeamtin schon gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt hatte, sie habe mehrmals nach allen Vermögenswerten gefragt. Das bestätigte die als Zeugin aufgerufene Frau denn auch gestern an der Hauptversammlung. «Ich habe ihn mehrmals explizit nach Konti gefragt. Er hat verneint. Für mich war das unglaubwürdig.» Sein Gläubiger habe sie darauf hin kontaktiert und betont, der Beklagte verfüge über Geld. «So sind wir dann auf das besagte Konto bei einer Zürcher Privatbank gestossen.»
Undurchsichtiger als im Falle des Pfändungsbetrugs sind die Umstände beim zweiten Anklagepunkt des Vergehens gegen das Bankengesetz. Die Staatsanwaltschaft und eine Privatklägerin werfen dem Angeklagten vor, er habe Informationen über ein Konto eines Kunden weiterverbreitet. Konkret geht es um ein Nummernkonto mit der Bezeichnung «Happy» bei einer Zürcher Privatbank. Die Staatsanwaltschaft argumentiert damit, dass der Angeklagte von diesem Konto nur wusste, weil er es ein paar Jahre zuvor, als er noch bei der Bank gearbeitet hatte, für seinen Kunden eröffnet hatte. Der Angeklagte betonte an der Verhandlung jedoch, dass ihm sein Kunde von sich aus von diesem Konto erzählt hatte und somit keine Verletzung des Bankgeheimnisses vorliege. Zu jener Zeit habe er auch schon länger nicht mehr bei der Bank gearbeitet. Interesse hatte der Angeklagte an diesem Konto deshalb, weil ihm dessen Inhaber noch 100 000 Franken schuldete wegen eines Kunstdeals. «Ich hatte viel Geld verloren wegen dieses Kunden und viel Ärger.» Er habe seinen Anwalt auch gefragt, ob er ihm überhaupt von diesem Konto erzählen dürfe angesichts des Bankgeheimnisses. An der Verhandlung sagte der Anwalt jedoch, das Bankgeheimnis sei nie Thema gewesen – sein Mandant habe ihm von sich aus von diesem Konto erzählt.
Das Gericht sprach den Angeklagten schuldig des Pfändungsbetrugs und des Vergehens gegen das Strassenverkehrsgesetz, weil er Kontrollschilder trotz Aufforderung durch das Strassenverkehrsamt nicht abgegeben hatte. 18 Monate muss der Mann in Haft, weil eine bedingte Strafe aufgrund seiner Vorstrafen nicht möglich ist. Vom Vorwurf des Vergehens gegen das Bankengesetz sprach ihn das Gericht frei, weil es in diesem Punkt nicht zweifelsfrei von der Schuld des Angeklagten überzeugt war.
Mario Testa
mario.testa@thurgauerzeitung.ch