Der Kasernenchef ist eine Frau

Die Goldacherin Tamara Hauri ist der ranghöchste Offizier in der Stadtkaserne von Frauenfeld. Die 23-Jährige koordiniert und betreut die Ausbildung von durchschnittlich 100 Rekruten der Verkehrs- und Transportschule 47.

Andrea Sterchi
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Fühlt sich wohl in der Männerwelt des Militärs: Tamara Hauri. (Bild: Andrea Sterchi)

Fühlt sich wohl in der Männerwelt des Militärs: Tamara Hauri. (Bild: Andrea Sterchi)

frauenfeld. Der diensthabende Rekrut am Eingang der Kaserne steht auf und salutiert. Tamara Hauri erwidert, ihre Handbewegung verrät die tägliche Routine. Zielstrebig steigt sie die Treppe hoch und betritt ihr Büro im ersten Stock. Von hier aus koordiniert und überwacht sie die Ausbildung der rund 100 in der Stadtkaserne Frauenfeld stationierten Rekruten. Daneben bildet sie die jungen Männer in Kriegsvölkerrecht aus und führt sie in verschiedene Reglemente ein. Vor einem Jahr hat sie hier als Zugführer angefangen.

Die junge Goldacherin trägt den Rang eines Hauptmanns und ist als ranghöchster Offizier die Chefin in der Kaserne.

Nach der Lehre in die RS

Ihre langen, dunklen Haare hat Tamara Hauri zu einem Zopf gebunden. Die Augen, dezent geschminkt, blicken gelassen durch die randlose Brille. Als Frau in dieser Position im Militär ist sie die Ausnahme. Sie kennt nur eine andere, in Wangen an der Aare, in der Ostschweiz ist sie die einzige. Als Kind wollte sie Kindergärtnerin werden, ans Militär dachte sie nie.

Nach der Lehre in der Papeterie Schmid-Fehr in Goldach suchte sie einen Beruf, bei dem sie im Freien und mit Menschen arbeiten kann. Eine Kollegin erzählte ihr von der Rekrutenschule, endgültig überzeugt haben sie die Informationen am Stand des Militärs an der Olma.

In der RS wusste Tamara Hauri bald, dass sie weitermachen wird. Sie absolvierte die Offiziersschule in Bern und diente in Dübendorf ab, übernahm dort ihre erste RS.

Keine einfache Aufgabe, als neuer Chef bei einem Zug aufzutreten, der bereits 13 Wochen zusammen gedient hatte. «Ich hatte die beste Zeit, die Leute waren toll», sagt sie.

Von Appell bis Truppenbesuch

Nach einem WK und einem Freiwilligendienst in Airolo zog es sie nach Kanada auf eine Farm mit Springpferden. Ein Kontakt, den sie ihrer Arbeit in der Skischule Celerina verdankte.

Sie mistete Ställe aus, fütterte die Pferde, fuhr mit dem Traktor und half bei der Organisation der Springturniere.

Zurück in der Schweiz, setzt sie ihre Militärlaufbahn in Frauenfeld fort. Ihr Tag beginnt um 6.45 Uhr mit dem Appell auf dem Waffenplatz. Tamara Hauri begrüsst die Rekruten und informiert sie über den Tagesablauf. Vor 100 Männer hinzustehen, ist für die 23-Jährige bereits zur Routine geworden.

Danach nimmt sie an Rapporten teil, plant die weitere Ausbildung und besucht die Truppen auf den Ausbildungsplätzen oder unterrichtet selbst.

Ihre Tage sind lang, 12 Stunden sind eher die Regel als die Ausnahme. «Das gibt viel Überzeit, die können wir kompensieren», sagt sie und lacht. Am liebsten im Winter, da arbeitet sie nebenbei weiterhin als Skilehrerin im Engadin.

Tamara Hauri mag ihren Arbeitsplatz in der Stadtkaserne in Frauenfeld. Die alten Mauern bieten sogar etwas Luxus: eine Damentoilette. Tamara Hauri ist zwar die einzige Frau, den Schlüssel bewahrt sie trotzdem lieber im Hosensack auf. Und die alten Mauern erzählen Geschichten von früher, als hier Militärpferde untergebracht waren. «Auf den Treppen sieht man noch Hufspuren, vom Kommandanten, der, nachdem er ordentlich gebechert hatte, mit dem Ross hochgeritten ist», erzählt Tamara Hauri.

Eine Zukunft beim Militär?

Noch bis Mai 2010 läuft ihr Vertrag. Bis dahin will sie entscheiden, wie es beruflich weitergehen soll. Sie sieht zwei Wege. Entweder setzt sie aufs Berufsmilitär und besucht die Militärakademie, oder sie sucht sich in der Privatwirtschaft im Bereich der Eventorganisation eine Stelle. Am liebsten in der Sparte Sport oder bei einer Bank. Ihr Wunsch wäre es, für die Raiffeisenbank tätig zu sein, die mit Swiss Ski zusammenarbeitet.

An ihrem Job reizt sie die Zusammenarbeit mit jungen Leuten. «Und ich habe in meinem Alter bereits eine hohe Position inne, das wäre im zivilen Leben nicht möglich», sagt sie. Das Unterrichten macht ihr Spass, auch dass sie viel lernen, das Gelernte üben und sich verbessern kann. In der Männerwelt des Militärs fühlt sich Tamara Hauri gut akzeptiert. Sie erhalte viel positives Feedback.

Wie aber reagieren die Männer, die sie privat kennenlernt, auf ihren Beruf? «Meistens sind sie schockiert, besonders dann, wenn ich meinen Rang nenne», lacht Tamara Hauri