Noch genau zwei Wochen dauert es, bis Thurgauerinnen und Thurgauer wichtige Weichen für die nächsten vier Jahre stellen werden. Sie bestimmen, wer sie im National- und Ständerat vertreten wird. Das gleichzeitig auch noch eine kantonale Abstimmung stattfindet, ist noch lange nicht allen klar.
Noch genau zwei Wochen dauert es, bis Thurgauerinnen und Thurgauer wichtige Weichen für die nächsten vier Jahre stellen werden. Sie bestimmen, wer sie im National- und Ständerat vertreten wird. Das gleichzeitig auch noch eine kantonale Abstimmung stattfindet, ist noch lange nicht allen klar. Denn wie befürchtet steht die kantonale Abstimmung vom 23. Oktober im Schatten der eidgenössischen Wahlen, im Schatten der vielen Wahlplakate und Wahlpodien, die den politischen Thurgau in den letzten Wochen prägten.
Den Zeitpunkt der Volksabstimmung hat die Regierung denn auch unglücklich gewählt, die Auseinandersetzung über Für und Wider fand in der Thurgauer Zeitung, nicht aber in der breiten Öffentlichkeit statt. Mit etwas gutem Willen hätte man einen anderen Abstimmungstermin finden können. Denn der Gegenstand der Abstimmung ist durchaus spannend: Sollen Grundbuchverwalter und Notare weiter vom Volk gewählt werden? Für Regierung und Grossen Rat ist der Fall klar: Sie wollen die Volkswahl abschaffen, die seit Jahrzehnten zu den Grundrechten der Thurgauerinnen und Thurgauer gehört und 1987 in die neue Kantonsverfassung aufgenommen wurde. Zwar haben nur wenige Personen direkt mit Grundbuchverwalter und Notar zu tun. Wer aber ein Haus besitzt oder wichtige Verträge abschliessen muss, ist auf ihre Unterstützung angewiesen.
So selten die Mehrheit der Bevölkerung mit Grundbuchverwaltern und Notaren in Kontakt kommt, so gering ist auch deren Zahl. 25 Personen üben im Thurgau dieses Amt aus. Diese Zahl führen die Befürworter denn auch an, um die Abschaffung der Volkswahl zu begründen. Es sei nicht mehr zeitgemäss, eine kleine Gruppe von Staatsangestellten mit dem Privileg der Volkswahl auszustatten, zumal Kantonsangestellte mit heikleren Funktionen wie Staatsanwälte oder Steuerkommissäre von der Regierung gewählt würden.
Dieses Argument in Ehren. Doch genau so kann man sich mit Fug und Recht fragen, warum Regierung und Parlament die Volkswahl ausgerechnet jetzt abschaffen wollen, obwohl sie bisher nie zu gravierenden Problemen führte. Thurgauerinnen und Thurgauer haben die Grundbuchverwalter und Notare bisher immer wählen können, da genügend qualifizierte Bewerber bereitstanden. Ein kleines Problem bringt die Volkswahl mit sich: Sie schreibt die Wohnsitzpflicht vor, was gute Kandidaten schon davon abhielt, sich um eine Stelle zu bewerben. Der Grosse Rat hätte aber die Wohnsitzpflicht problemlos aufheben können, ohne gleich die Volkswahl abzuschaffen. Die Abschaffung ist definitiv der falsche Weg, zumal die Volkswahl einen weiteren Vorteil hat: Alle vier Jahre kann sich das Volk wenigstens einmal mit den Ämtern und den Personen dahinter befassen – gleich wie früher bei den Statthaltern und wie heute noch bei den Richterinnen und Richtern der Bezirksgerichte. Die Vorlage kommt deshalb zur Unzeit und will ein Problem lösen, das bislang gar keines war.
Zugegeben: Die Wahl der Grundbuchverwalter und Notare ist kein zentrales Grundrecht. Andere Wahlen sind wichtiger, etwa die des eidgenössischen Parlaments in zwei Wochen. Und doch ist es ein Recht des Volkes, das jetzt verschwinden soll. Auch dass der Regierungsrat die besseren Bewerberinnen und Bewerber finden wird als die Parteien, ist nicht sicher. Die Volkswahl sichert den Grundbuchverwaltern und Notaren jedoch eine gewisse Unabhängigkeit im Umgang mit der kantonalen Verwaltung, die auch zu ihren Kunden zählt. Der Bezug zur Bevölkerung ist ebenfalls enger, wenn sich die Amtsträger einer Volkswahl stellen müssen.
Klar ist allerdings auch, dass der Thurgau nicht untergehen würde, falls künftig der Regierungsrat die Grundbuchverwalter und Notare wählen würde. Im Unterschied zu Regierungs- und Parlamentsmitgliedern treffen Grundbuchverwalter und Notare keine heiklen politischen Entscheide, und sie fällen im Gegensatz zu Richtern keine Urteile. Die Ausgangslage bleibt also spannend: Das Volk kann am 23. Oktober selber entscheiden, wie wichtig ihm die Wahl der Grundbuchverwalter und Notare ist. Die Parteien haben bereits klargemacht, dass sie nicht mehr an der Volkswahl festhalten wollen. Eines ist gewiss: Die Stimmbeteiligung wird am 23. Oktober nicht tief sein. Wenigstens ein Vorteil des Abstimmungstermins.