Das St. Galler Parlament will einen eigenen Ratsdienst

ST. GALLEN. Das Anliegen ist nicht neu: Das Parlament will mehr Einfluss auf gewisse Entscheide haben, und es will früher in bestimmte Prozesse einbezogen werden. Es mag nicht zum Durchwinkclub und Abnickergremium degradiert werden.

Regula Weik
Drucken
Canisius Braun St. Galler Staatssekretär und Leiter der Staatskanzlei (Bild: Regina Kühne)

Canisius Braun St. Galler Staatssekretär und Leiter der Staatskanzlei (Bild: Regina Kühne)

ST. GALLEN. Das Anliegen ist nicht neu: Das Parlament will mehr Einfluss auf gewisse Entscheide haben, und es will früher in bestimmte Prozesse einbezogen werden. Es mag nicht zum Durchwinkclub und Abnickergremium degradiert werden. So hat es gestern in der Debatte zwar niemand formuliert, aber die Intention ist klar: Das Parlament will mehr mitreden, mehr mitgestalten – und so Boden gutmachen gegenüber der in seiner Wahrnehmung übermächtigen Regierung und Verwaltung. Ein erster Schritt in diese Richtung ist getan: Das Parlament redet künftig bei bestimmten Personalfragen mit.

Dem Präsidium unterstellen

Ein Personalentscheid der Staatskanzlei war es denn auch, der die «Machtdebatte» zwischen Verwaltung, Regierung und Parlament ausgelöst hat – eine Wahl, deren Prozedere kritisiert wird, und eine Wahl, die zu Kündigungen in der Staatskanzlei geführt hat.

Bekannt ist: Die beiden Vizestaatssekretäre Markus Bucheli und Georg Wanner gehen demnächst in Pension. Ihre Nachfolger sind Benedikt van Spyk und Claudius Luterbacher. Van Spyk übernimmt die Leitung der Dienststelle Recht, Luterbacher soll Leiter des Ratsdienstes werden. Diese Dienststelle unterstützt das Parlament organisatorisch, administrativ, beratend – funktioniert sozusagen als Geschäftsführung des Präsidiums.

Dieser Ratsdienst und auch der parlamentarische Kommissionsdienst sollen nun aus der Staatskanzlei ausgegliedert und administrativ wie hierarchisch dem Parlamentspräsidium unterstellt werden. So schlugen es SVP, SP und Grüne, Grünliberale und BDP vor – und sie setzten sich durch. Eine Mehrheit des Parlaments sah Handlungsbedarf und hiess die Motion gut. Die Regierung muss nun die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen.

Unabhängiger Dienst

«Das Präsidium will bei der Besetzung von Stellen, die dem Ratsbetrieb dienen, mitreden können», argumentierte die SVP-Fraktion. Wenn sich das Parlament «emanzipieren» wolle, so habe das heutige Modell ausgedient – «dies auch im Sinne der Gewaltentrennung und einer grösseren Transparenz». Wohin die Reise gehen soll, machte die Fraktion von Grünliberalen und BDP deutlich: Sie wünscht einen unabhängigen Parlamentsdienst – dieser stärke das Parlament und führe die betreffenden Mitarbeiter nicht in einen Loyalitätskonflikt zwischen Verwaltung und Parlament.

Staatssekretär kritisiert

Die Regierung hatte sich vergeblich gegen das Ansinnen der drei Fraktionen gewehrt. Das heutige «Kooperationsmodell» habe Vor- und Nachteile, doch es habe sich über Jahrzehnte bewährt. Das Parlament wiederum hatte dafür kein Musikgehör; das Verhältnis zwischen ihm und der Staatskanzlei – explizit Staatssekretär Canisius Braun – scheint derzeit erschüttert. Stein des Anstosses ist die Wahl von Luterbacher. So drohte die Diskussion zu einem «Fall Braun» zu werden; die Wahl des Vizestaatssekretärs liegt in seiner Kompetenz. Braun musste sich aber anhören, den Mitsprachewunsch des Parlaments zu wenig ernst genommen zu haben. Die Rede ist von «merkwürdigen Personalentscheiden» und von «hervorragenden Mitarbeitern, die aus dem Amt gedrängt wurden». Bevor die Debatte ganz aus dem Ruder lief und in eine Diskussion über einzelne Mitarbeiter der Staatskanzlei ausartete, wurde sie abgebrochen – auf Antrag aus der Ratsmitte.

Das Thema ist damit nicht vom Tisch. Vor einem Jahr hatten drei Fraktionen von der Regierung eine Auslegeordnung gefordert. Sie wünschen sich mehr ständige Kommissionen; so würde das Parlament professioneller – und damit stärker.