Caritas gegen schärfere Sanktion

Die Stellenleiterin des Hilfswerks Caritas Thurgau wehrt sich für die Sozialhilfeempfänger. Sie hält es für falsch, unkooperatives Verhalten mit einer 50prozentigen Kürzung der Sozialleistungen zu bestrafen.

Thomas Wunderlin
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Judith Meier Inhelder Geschäftsstellenleiterin der Caritas Thurgau (Bild: pd)

Judith Meier Inhelder Geschäftsstellenleiterin der Caritas Thurgau (Bild: pd)

WEINFELDEN. Drei bis vier Sozialhilfebezüger pro Monat finden den Weg ins Büro der Caritas Thurgau in Weinfelden. Der Andrang könnte bald stärker werden. Jedenfalls erwartet das die Stellenleiterin Judith Meier Inhelder. Der Grund ist die verschärfte Sozialhilfeverordnung, die der Thurgauer Regierungsrat bis zum 19. Dezember in die Vernehmlassung geschickt hat. Die Revision setzt auf kantonaler Ebene die Vorgaben der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) um; der Regierungsrat folgt dabei auch Forderungen aus dem Grossen Rat.

Sanktion bis 50 Prozent

Die Caritas-Stellenleiterin kritisiert vor allem, dass als Sanktion für unkooperatives Verhalten 50 Prozent der Sozialhilfe unbefristet gestrichen werden können. Bisher können die Thurgauer Sozialämter höchstens eine auf ein Jahr befristete Kürzung um maximal 30 Prozent verhängen.

Eine Sanktion wird etwa fällig, wenn ein Teilnehmer eines Arbeitsintegrationsprogramms geschwänzt hat und kein Arztzeugnis vorlegt. «Manchmal kann es einer einfach nicht, psychisch bringt er es nicht hin», sagt Meier Inhelder. «Er vergisst, das Arztzeugnis zu besorgen, oder er steckt depressiv in einem Loch.»

Typischerweise ist ein Sozialhilfebezüger etwas älter als 50 Jahre. Er oder sie ist Handwerker oder hat nach einer KV-Lehre im Büro gearbeitet. «Einen Beruf haben alle, die zu mir kommen», sagt Meier Inhelder. Von der Caritas-Beraterin wollen sie wissen, ob der Betrag korrekt ist, der ihnen vom Sozialamt ausbezahlt wird. Häufig reicht er nicht. «Oft haben sie eine hohe Rechnung, die das Sozialamt nicht übernimmt.» Das katholische Hilfswerk weist sie weiter, leistet manchmal auch selber einmalige Beiträge etwa für den FC-Mitgliederbeitrag oder den Musikunterricht für die Kinder des Hilfesuchenden.

Meist hat dieser keine Stelle mehr. «Er ist ausgesteuert, hat ein ganz schlechtes Selbstwertgefühl», sagt Meier Inhelder. «Er ist psychisch angeschlagen und hat einiges nicht im Griff.» Vielleicht hat er auch gesundheitliche Probleme. Das Sozialamt weist ihn einem Arbeitsprogramm zu. Er sortiert Elektroschrott, malt Läden an oder arbeitet als Zügelmann. Für den einen kann das laut der Caritas-Stellenleiterin sehr gut sein, dem anderen falle es schwer: «Er fühlt sich diskriminiert und herabgesetzt.»

Bis zu 300 Franken pro Monat zusätzlich gibt es, wenn man an einem Arbeitsprogramm teilnimmt oder eine Umschulung absolviert. Im Vernehmlassungsentwurf ersetzt eine Kann-Formulierung den bisherigen Anspruch auf die Integrationszulage. Laut Meier Inhelder entsteht so die Gefahr der Willkür.

Rückzahlbare Sozialhilfe

Ein wichtiger Punkt werde in der Diskussion über die Sozialhilfe oft vergessen, sagt Meier Inhelder: «Es wird nie erwähnt, dass es Schulden sind.» Die Empfänger müssten die Sozialhilfe zurückbezahlen, wenn es ihnen wieder besser gehe. Die Gemeinden bemühten sich aber nicht alle gleich stark um eine Rückforderung.