Thursicht
Im Thurgau gibt es die Wega, in St. Gallen die Olma. Hier isst man Äpfel, dort Bratwürste. Der Thurgauer fiebert mit dem HC Thurgau, der St. Galler mit dem FC St. Gallen.
Und was macht ein St. Galler, der im Thurgau arbeitet? Am besten lässt er sich nichts anmerken. Der Dialekt ist da schon mal ein Vorteil, da hat der Winterthurer mehr Probleme. Und wenn der St. Galler vom Thurgauer nach der Heimat gefragt wird, dann sagt man einfach Ostschweiz und wechselt das Thema.
Wenn sich der St. Galler dann doch öffentlich zu seiner Heimat bekennt, dann gibt es nur zwei Gründe dafür: Entweder hat er sich den Übermut an der Olma angetrunken, oder der aktuelle Gastkanton an der Landwirtschaftsmesse heisst Thurgau. Zwar identifizieren sich die Thurgauer dann immer noch mit dem Löwen und die St. Galler mit dem Bären (oder Beil), doch man ist sich freundschaftlich gesinnt – spätestens beim Besuch der Hallen 4 und 5.
Elf wunderschöne Tage dauert die Olma, dann ist wieder Schluss. Alle ziehen sich zurück und statt des Löwen ist wieder der Kantönligeist los. Sie sind vorbei, die schönen Stunden, in denen sich alle in den Armen gelegen sind – egal ob sie Baum oder Bomm sagen. Bleibt nur zu hoffen, dass mehr als diese Erinnerungen bleiben. Zum Beispiel die freundschaftliche Gesinnung. Sonst bleiben den St. Gallern nicht viele Freunde: Die Zürcher nehmen den Senf mit an die Olma und die Appenzeller essen nur dann eine Bratwurst, wenn es dazu gratis einen Alpenbitter gibt.
Ralf Rüthemann
ralf.ruethemann@thurgauerzeitung.ch