Beide Seiten sehen sich als Sieger

Das Pflegepersonal und die Hebammen werden künftig im Kanton St. Gallen besser entlöhnt – vorausgesetzt, die Politik stimmt zu. Die Berufsverbände erhoffen sich davon auch eine Signalwirkung für andere Ostschweizer Kantone.

Regula Weik
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Informieren über den Vergleich: Martin Gehrer, St. Galler Finanzchef, und Maria Huber, Regionalsekretärin Verband Personal öffentlicher Dienste. (Bild: Urs Bucher)

Informieren über den Vergleich: Martin Gehrer, St. Galler Finanzchef, und Maria Huber, Regionalsekretärin Verband Personal öffentlicher Dienste. (Bild: Urs Bucher)

st. gallen. Über Jahre waren sie sich uneins gewesen. Doch gestern traten Klägerinnen und Kanton gemeinsam auf – und alle sahen sich als Sieger. «Wir haben uns gefunden», stellt der St. Galler Finanzchef Martin Gehrer nüchtern fest. Beidseits wird die Win-win-Situation zitiert – und das, obwohl der Kanton tief in der Tasche greifen muss. Doch Regierungsrat Gehrer versichert glaubhaft: Er sehe sich und den Kanton nicht als Verlierer – «auch wenn der Vergleich finanzpolitisch absolut quer in der Landschaft liegt». Der Finanzchef tönt damit die an sich absurde Situation an, dass der Kanton in Zeiten von Sparpaketen Ja sagt zu Mehrausgaben in Millionenhöhe. Doch für ihn ist klar: «Das Urteil des Bundesgerichts lässt keine Zweifel offen: Die Löhne des Pflegepersonals und der Hebammen sind im Kanton im Vergleich mit anderen Berufsgruppen, namentlich mit Polizisten, zu tief.»

Deshalb sei der Kanton mit den Klägerinnen, den Berufsverbänden des Pflegepersonals und deren Rechtsvertreterinnen in Vergleichsverhandlungen eingetreten. «Es wurde hart und konstruktiv gerungen», sagt Gehrer, «es herrschte kein Schonklima.» Beide Parteien seien letztlich von ihren Maximalforderungen abgerückt.

2500 Personen profitieren

Das Ergebnis liegt seit wenigen Wochen auf dem Tisch. Am Dienstag hat ihm die Regierung zugestimmt. Der Vergleich verursacht dem Kanton einmalige und wiederkehrende Ausgaben. Da sind einmal 25 Mio. Franken für Lohnnachzahlungen für die Jahre 2006 bis 2010; in deren Genuss kommen rund 2500 Mitarbeitende von kantonalen Spitälern und Kliniken. Sie dürften durchschnittlich 10 000 Franken nachbezahlt erhalten. Dazu kommen jährlich wiederkehrende Kosten von 14 Mio. Franken – weil Pflegepersonal und Hebammen eben besser entlöhnt werden.

Lohnanstieg in zwei Etappen

Der Lohnanstieg erfolgt in zwei Schritten: Die diplomierten Pflegefachpersonen und Hebammen werden rückwirkend per Anfang 2011 eine Besoldungsklasse höher eingestuft; das kostet den Kanton 8,4 Millionen Franken. Die Botschaft mit dem dafür notwendigen Nachtragskredit wird dieser Tage den Mitgliedern des Kantonsparlaments zugeleitet; dieses beschliesst in der Septembersession darüber.

Auf Anfang kommenden Jahres werden Pflegepersonal und Hebammen um eine Besoldungsstufe angehoben – mit jährlichen Folgekosten von 5,6 Millionen Franken. Diese werden im Voranschlag berücksichtigt.

St. Gallen sende mit der höheren Lohneinstufung ein wichtiges Signal an die Nachbarkantone, sich gehaltsmässig anzugleichen, sind die Berufsverbände überzeugt. Beschwerde führten der Schweizer Verband der Pflegefachfrauen und -männer, der Verband des Personals öffentlicher Dienste und der Schweizerische Hebammenverband. Und sie hoffen, dass auch die weiteren Arbeitgeber wie Spitex-Organisationen, Alters- und Pflegeheime sowie Behinderteneinrichtungen mit dem Kanton mitziehen. Der Erfolg im Lohnstreit bringe den Pflegeberufen Anerkennung und mache sie attraktiver, so die Verbände.

«Spezielle Situation»

Wie schätzt Gehrer die Stimmung im Kantonsparlament ein? Haben Pflegepersonal und Hebammen tatsächlich eine Chance auf höhere Löhne? Der Finanzchef ist zuversichtlich – «das Parlament weiss um die spezielle Situation und es wäre speziell, wenn es die Vorschläge nicht mittragen würde.»