Auf Anfang Jahr hat die Spital Thurgau AG die Löhne der Assistenzärzte erhöht. Der CEO der Spital Thurgau AG betont, dass diese genug gute Bewerber habe. Der Berufsverband nennt die Löhne für erfahrene Assistenzärzte zu tief.
FRAUENFELD. Von einem «Ausbildungslager» für das mittlere Kader ist die Rede. Die Thurgauer Sektion der Vereinigung der Assistenz- und Oberärzte (VSAO) kritisierte in ihrem Bulletin die Löhne in der Spital Thurgau AG. Weil das Lohnniveau viel tiefer sei als in anderen Kantonen, würden Assistenz- und Oberärzte einige Jahre im Thurgau arbeiten und dann weiterziehen, sofern sie nicht hier verwurzelt seien. Im Aargau verdiene ein Oberarzt im ersten Jahr gleich viel wie sein Kollege im Thurgau mit sechs Jahren Erfahrung, schreibt der Sektionsvorstand im Bulletin 5/2011. Die Qualität der Ausbildung bei der Spital Thurgau AG sei gut, räumt er zwar ein, dass sei aber vielerorts in der Schweiz so.
Von der Ausbildung der Assistenzärzte profitierten dann die Spitäler und Patienten in anderen Kantonen und natürlich die betreffenden Assistenzärzte. Zudem belaste diese Politik die Leitenden und Chefärzte mehr. Der Grund: Wenn das mittlere Kader unerfahren sei, müsse es die Chefs öfter um Rat fragen.
Eric Vultier ist Geschäftsführer der Sektion Thurgau des VSAO. «Der Anfangslohn der Assistenzärzte im Thurgau ist in Ordnung», sagt er. «Das Problem ist der Anstieg mit zunehmender Erfahrung. In anderen Kantonen ist er steiler.» Auf Anfang Jahr hat die Spital Thurgau AG die Löhne für Assistenzärzte erhöht, nachdem der VSAO das Problem zur Sprache gebracht und Zahlen vorgelegt hatte. Vom Einstiegslohn von 90 700 Franken geht es über 96 400 Franken im vierten bis zu 100 500 Franken im achten Jahr. Die Berner und St. Galler starten etwa auf dem gleichen Niveau wie der Thurgau. Nach sechs Jahren sind die Berner auf 105 000 Franken. In St. Gallen kommt ein Assistent im achten Jahr auf 111 200 Franken. In Zürich, wo auch der Anfangslohn etwas höher ist, sind es 118 800 Franken. Alle genannten Zahlen gelten für Assistenzärzte ohne Facharzttitel.
Zahlen zur Abwanderung von Assistenz- und Oberärzten aus dem Thurgau hat Vultier keine. Er stellt aber fest: «Ab dem vierten Jahr liegt die Spital Thurgau AG bei den Assistenzärzten klar unter dem Markt. Sie wird Mühe haben, erfahrene Assistenzärzte zu halten.» Das schliesst er aus Anfragen in der Geschäftsstelle. «Zürich hat die Löhne im ärztlichen Bereich deutlich angehoben. Winterthur ist ja nicht weit von Frauenfeld.»
«Wir haben keine Probleme, genug und gut qualifizierte Assistenz- und Oberärzte zu finden und zu halten. Bei den Assistenzärzten haben wir eine recht anständige strukturelle Anpassung auf Anfang Jahr vorgenommen», entgegnet Marc Kohler, CEO der Spital Thurgau AG. Der Artikel im Bulletin der VSAO Sektion Thurgau habe offene Türen eingerannt, denn die Spital Thurgau AG habe die Löhne der Assistenzärzte ohnehin erhöhen wollen, sagt Kohler. «Die Spital Thurgau AG will kein Lohntreiber sein und bezahlt deshalb bewusst nicht die höchsten Löhne.» Vielmehr wolle man mit dem Gesamtpaket attraktiv sein. Nach dem vierten Jahr könnten die Kliniken guten Mitarbeitern Zulagen ausrichten. Das werde rege genutzt. In einigen Disziplinen, etwa der Psychiatrie, sei es schwierig, Nachwuchs zu finden. Das sei landesweit so. Kohler ist überzeugt, dass der Artikel im Bulletin des VSAO nicht repräsentativ ist.