Die Thurgauer Bevölkerung soll in den nächsten 20 Jahren stärker altern als der Schweizer Schnitt. Die Regierung will nun das Alterskonzept überarbeiten. Vor allem die medizinischen Angebote für ältere Menschen sollen ausgebaut werden.
FRAUENFELD. Politisch wendet sich der Vater des Thurgauer Alterskonzepts nun auch dem dritten Lebensabschnitt zu. Vor zwölf Jahren, kurz vor seiner Wahl in den Ständerat, stellte der damalige CVP-Regierungsrat Philipp Stähelin das erste Alterskonzept vor, als Ständerat tritt er jetzt zurück. Mit dem Alterskonzept beschritt der Thurgau Neuland: Angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung wollte der Kanton ein Betreuungs- und Beschäftigungsangebot für ältere Menschen ermöglichen – auch mit einem finanziellen Motiv. Ältere Menschen sollen so lange wie möglich zu Hause leben können und nichts ins teurere Alters- und Pflegeheim wechseln müssen.
Das Konzept wurde allerdings in den letzten zwölf Jahren nur zum Teil umgesetzt. «Nur circa ein Dutzend Gemeinden hat ein eigenes Alterskonzept erarbeitet», stellt Regierungsrat Bernhard Koch fest. Dabei hätten neben dem Kanton vor allem die Gemeinden den Ball aufnehmen und Betreuungs- und Freizeitangebote für Senioren schaffen und fördern sollen. «Die Gemeinden könnten mehr tun», sagt Koch denn auch. In die Lücke sprangen vor allem Organisationen wie Pro Senectute Thurgau, die ihr Kurs- und Betreuungsangebot deutlich ausbauten. «Das Angebot im Thurgau ist gut», erklärt Ursula Dünner, Geschäftsführerin von Pro Senectute Thurgau. Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden, Pflege und Sozialhilfe könnte aber enger werden (siehe Kasten).
Vor diesem Hintergrund hat der Regierungsrat beschlossen, das Alterskonzept zu überarbeiten; ein erster Entwurf ging in die Vernehmlassung. Ein Ziel ist es laut Koch, die Gemeinden zum Handeln zu bewegen.
Ein zweites wichtiges Ziel betrifft die medizinische Betreuung der älteren Bevölkerung. Obwohl diese im Thurgau in den nächsten 20 Jahren im Vergleich mit anderen Kantonen überproportional wachsen soll, fehle es weitgehend an der Altersmedizin, der Geriatrie, sagt Susanna Schuppisser, die Leiterin des kantonalen Gesundheitsamtes. «Im Thurgau gibt es nur einen Facharzt zur Behandlung der Alterserscheinungen.» Das überarbeitete Alterskonzept soll nun den Kanton verpflichten, diese Lücken zu schliessen.
Dass dies nicht einfach sein wird, räumt Schuppisser ein. Denn nicht nur in der Geriatrie fehlt es am Angebot. Auch die Zahl der Hausärzte wird im Thurgau in den nächsten Jahren sinken. Dabei wären sie ideal für die Betreuung älterer Menschen. «Spitalbehandlungen sind viel teurer», sagt Schuppisser. Der Kanton überlege sich Anreize, um die medizinische Betreuung auszubauen; die Ausbildung junger Ärzte wird verstärkt. Das Angebot an Alters- und Pflegeheimen sei dagegen deutlich grösser geworden. «Hier steht der Thurgau gut da.»
Begrüsst wird das Konzept von den Gemeinden. Roland Kuttruff, der Präsident des Verbandes der Thurgauer Gemeinden (VTG), gesteht, dass die Gemeinden Nachholbedarf haben. Das werde sich in den nächsten Jahren ändern. Kuttruff hält es gar für möglich, dass der VTG eine koordinierende Funktion übernehmen wird.