Im neunten Band des Historischen Lexikons der Schweiz finden sich viele Beiträge mit Bezug zum Thurgau. Prominent werden die jungsteinzeitlichen und die römischen Siedlungen in Pfyn behandelt.
FRAUENFELD. Matthäi am letzten war einst, wenn man in Diessenhofen, Frauenfeld oder Lindau mit einem Mitglied der Familie Näher zu tun hatte. Das weitverzweigte Geschlecht amtete dort und in anderen Orten Süddeutschlands und der Ostschweiz als Scharfrichter. Ein Johann Näher war als letzter seiner Familie Scharfrichter im Thurgau und köpfte von 1797 bis 1839 19 Menschen. Daneben waren die Näher als Ärzte tätig und verkauften Medikamente.
Auch im neunten Band des Historischen Lexikons der Schweiz (HLS), der die Buchstaben Mur bis Pri abdeckt, ist der Thurgau prominent vertreten.
Grosse Artikel des HLS sind Pfyn und der Jungsteinzeit gewidmet, in der die Pfyner Kultur eine wichtige Rolle spielte. Bei den ersten systematischen Ausgrabungen halfen internierte polnische Soldaten mit.
Pfyn selber hat auch einen ausführlichen Artikel bekommen, der auch auf die römische Siedlung eingeht und mit einer Luftaufnahme illustriert ist.
Weniger prominent ist die kirchliche Geschichte des Thurgaus abgehandelt. Mehr dazu findet sich in früheren Bänden. En passant erfährt man aber im Artikel über Bischof Noting von Konstanz, dass 926 nach Christus die Ungarn die Stadt belagerten. Separate Artikel sind dem ehemaligen Kloster Petershausen und dem Kloster Paradies gewidmet.
Auch im neuesten Band des HLS werden viele frühere Thurgauer Ortsgemeinden erwähnt. Bei Murkart liest man, dass dort eine Burg und ein Nonnenkloster existierten und offenbar nicht abbauwürdige Kohlevorkommen.
Ein Bischofszeller als Bibliothekar in der Ermitage, einem der Paläste des Zaren in St. Petersburg? Das ist keine Erfindung eines Romanciers, sondern eine Station im Leben von Eduard von Muralt.
Er gehörte zur weitverzweigten Familie, von der ein Stamm Gerichtsherren in Heidelberg und Oetlishausen war.
Wer's nicht mehr wusste, erfährt dank des Artikels über Wilfred Naegeli, dass der Aadorfer Arzt 1971 bis 1975 für die Republikanische Bewegung der Schweiz von James Schwarzenbach im Nationalrat politisierte, eine Abspaltung der Nationalen Aktion für Volk und Heimat. Auch ein früherer TZ-Redaktor wird im neunten Band des HLS erwähnt. Ernst Nägeli veröffentlichte Geschichtensammlungen im Thurgauer Dialekt.
Sein Fast-Namensvetter Otto Naegeli aus Ermatingen schrieb Mundartdichtungen. Weit über die Grenzen der Schweiz bekannt wurde ein in Bern geborener Stettfurter. Es handelt sich um den Bandleader Hazy Osterwald, der mit dem «Kriminaltango» weltweit die Charts stürmte. Nur noch Historikern dürften die Nellenburger bekannt sein. Im Mittelalter spielten sie als Grafen im Thurgau eine wichtige Rolle.
Eher kurz fällt der Artikel über Napoleon III. aus. Immerhin wird er mit einer Karikatur illustriert. Auch zum verstorbenen SP-Ständerat Thomas Onken hätte man gerne mehr erfahren. Im Artikel über die Schweizer Nahrungsmittelindustrie vermisst man die Bina. Beim Beitrag über den «Nebelspalter» wäre der Hinweis sinnvoll, dass das Satiremagazin jetzt einem Verlag im Thurgau gehört. Unter den Oehlers fehlt der Verwaltungsratspräsident und CEO der AFG. Der Grund: Edgar Oehler ist zu jung.
Die «Altersguillotine» bei lebenden Personen fiel beim Jahrgang 1935.
Neben Familiennamen und geographischen Bezeichnungen umfasst der neunte Band des HLS viele thematische Artikel. Beim Obstbau erfährt man, dass die Genferseeregion und das Wallis führend bei der Einführung von Niederstammanlagen waren, während die übrigen Regionen der Schweiz – also auch der Thurgau – zurücklagen. Illustriert ist der Artikel unter anderem mit einem Foto aus Güttingen.
Ein kurzer Artikel widmet sich den früheren Ortsgemeinden und der dualen Gemeindestruktur. Ein ausführlicher Artikel ist den Ortsnamen gewidmet. Illustriert wird er mit vier Karten, die am Beispiel des Thurgaus sehr gut die verschiedenen Wellen der alemannischen Besiedelung zeigen. Dabei erfährt man, dass im Thurgau viele Ortsnamen aus der Zeit vor der alemannischen Einwanderung und aus dem Frühmittelalter zu finden sind.
Das Thema Polizei wird unter anderem mit einem Abstimmungsplakat zur Lex Häberlin II, benannt nach dem Thurgauer Bundesrat, illustriert.