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Ostschweiz
Ein Fotograf hat vor kurzem im Alpstein ein schwarzes Rehkitz entdeckt. Diese Fellfarbe ist bei Rehen sogar noch seltener als Weiss. Das Phänomen ist beispielsweise aus Norddeutschland bekannt.
Irgendwo im Appenzellerland gibt es ein schwarzes Rehkitz. Der Natur- und Tierfotograf Thomas Egger hat das seltene Tier geschossen. Natürlich nur mit der Kamera. Auf der Suche nach Bildsujets entdeckt er immer wieder Rehkitze. Erst kürzlich ist ihm dieses spezielle Foto gelungen. Erst dann bemerkte er, dass er das schwarze Tier schon einmal vor der Linse gehabt hatte, jedoch erkannte er es damals nicht als Besonderheit, da es im Schatten nur schwer erkennbar war.
Den genauen Ort, an dem er die Tiere entdeckte, möchte Egger nicht preisgeben – zu deren Schutz. Denn schwarze Rehe sind beliebt bei Jägern. Anders als bei weissen Rehen gibt es bei ihnen keinen Aberglauben, dass der Abschuss Unglück bringe. Auch ist das schwarze Reh in der Ostschweiz nicht so häufig wie das weisse. Weisse Rehe sind in der Region schon mehrmals aufgetaucht. Erst vor einigen Wochen wurden wieder weisse Rehe im Appenzellerland gesichtet. Eines von ihnen hat drei Junge zur Welt gebracht: Ein braunes und zwei weisse.
Dem Leiter des St. Galler Amts für Natur, Jagd und Fischerei, Dominik Thiel, sind bisher keine Sichtungen schwarzer Rehe in der Region bekannt. «Es wird uns jedoch auch nicht alles gemeldet.» Die besondere Farbe entstehe durch eine Mehrproduktion von Melanin.
Thiel glaubt nicht, dass das kleine Reh aufgrund seiner Färbung besonders gefährdet ist, etwa durch jagende Raubtiere. «Weisse Rehe dürften es da schon schwerer haben, sie sind viel auffälliger.» Was menschliche Jäger betrifft, so gelten weder für weisse noch für schwarze Tiere besondere Abschussregeln, aber das schwarze Kitz dürfte laut Thiel trotzdem nicht besonders in Gefahr sein. Er weiss von grösseren Rehpopulationen in Deutschland, in welchen sich über längere Zeit eine Mehrheit schwarzer Rehe erhalten hat.
Möglicherweise stammt das schwarze Appenzeller Reh von einer deutschen Population ab – allerdings befinden sich diese sehr weit im Norden. Als falsch erweist sich jedenfalls ein weitverbreitetes Gerücht, dass schwarze Rehe im 18. Jahrhundert durch Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe aus Spanien nach Mitteleuropa eingeführt wurden. Denn in Südwesteuropa gibt es keine schwarze Rehe. Auch wird oft fälschlicherweise angenommen, dass schwarze Rehe eine eigene Art seien. Es handelt sich jedoch um eine Mutation, die in den Genen vieler Rehe enthalten ist, sich aber nur in der richtigen Kombination auch im Erscheinungsbild des Tieres zeigt.
Egger hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Tierfotografie beschäftigt und kennt die Gebiete, in denen er die Tiere findet. Bevorzugt geht er am Abend an den Waldrand. Dort verstecken sich Rehkitze oft im Gestrüpp. Selbst mit dem Teleobjektiv braucht es eine gewisse Nähe für ein gutes Foto. «Wenn man aber zu nahe kommt, laufen sie weg», sagt Egger. «Wenn man dann jedoch ruhig stehen bleibt, drehen sie sich oft noch einmal um.» Auch wenn er mit dem Bild des schwarzen Kitzes aus technischer Sicht nicht ganz zufrieden ist, sagt er: «Etwas Selteneres habe ich wohl noch nie erwischt.» Ob sich das Reh fortpflanzt und es bald weitere Tiere in Sonderfarbe gibt wie bei den weissen Artgenossen, bleibt abzuwarten.