Herisau. Köbi Tobler beschleicht ein mulmiges Gefühl. Das passiert oft, wenn er an Herisau denkt. Das hat nichts mit der Ausserrhoder Kantonshauptstadt an sich zu tun, sondern mit mangelnder Zahnhygiene. In Herisau geht Köbi zum Zahnarzt.
Herisau. Köbi Tobler beschleicht ein mulmiges Gefühl. Das passiert oft, wenn er an Herisau denkt. Das hat nichts mit der Ausserrhoder Kantonshauptstadt an sich zu tun, sondern mit mangelnder Zahnhygiene. In Herisau geht Köbi zum Zahnarzt. Tage vor der jährlichen Kontrolle kriecht jeweils das schlechte Gewissen um die von Karies gefährdeten Zähne in seine Hirnwindungen. Der Kopf ist es auch, der ihm abrät, auf die steinharte Einladung einzugehen. Erstens will er nicht wieder eins auf den Schädel bekommen. Zweitens lässt er sich von diesen Tannenbaum-Halunken nicht herumkommandieren: «Ich bin doch nicht blöd», grummelt er. Zudem will er heute nach Dienst mit seiner Frau Barbara einen Glühwein auf dem St. Galler Marktplatz geniessen.
Dann spaziert er doch vom Bahnhof Herisau hinauf zum Dorfzentrum. Es ist seltsam still und unbelebt. Überraschend kommt ihm seine Chefredaktorin im Samichlaus-Kostüm entgegen: «Hey Köbi, Du bist wieder zu spät, der Baum ist weg!» Köbi flucht und eilt los. Wie er auf dem Platz ankommt, erblickt er einen Wald mit dekorierten Christbäumen. Der Journalist reibt sich die Augen, drückt sich zwischen den dicht stehenden Tannen durch. Vor einem mit bunten Kugeln, auf denen Fliegenmotive abgebildet sind, hält er inne. Aus dem Dickicht rufen unerkennbare Knecht-Ruprecht-Gestalten seinen Namen.
«Köbi! Köbi!», sagt Barbara sanft. Köbi schreckt auf: «Was für ein irrer Traum!» «War wohl gestern ein Glühwein zu viel?», zieht ihn seine Frau auf. Er schält sich aus dem Bett, will ins Bad und sieht, dass sein Handy ein SMS anzeigt. Es stammt vom Kollegen, der Nachtdienst auf der Redaktion hatte und es kurz vor Mitternacht übermittelte: «Der Christbaum beim Obstmarkt in Herisau ist weg.»