FESTIVALPROGAMM: Breite Basis, schmaler Oberbau

Die Verantwortlichen des Open Air St. Gallen haben gestern das diesjährige Programm bekanntgegeben. Dieses ist insgesamt gut, aber etwas lückenhaft, gerade, was Headliner betrifft. Noch ist das Line-up aber nicht komplett.

David Gadze
Drucken
Das französische Elektro-Duo Justice kehrt nach einem furiosen Auftritt 2008 ins Sittertobel zurück. (Bild: Paul Heartfield/PD)

Das französische Elektro-Duo Justice kehrt nach einem furiosen Auftritt 2008 ins Sittertobel zurück. (Bild: Paul Heartfield/PD)

David Gadze

david.gadze@tagblatt.ch

Für die Präsentation des diesjährigen Programms haben sich die Verantwortlichen des Open Air St. Gallen etwas Besonderes einfallen lassen: Während einer Stunde haben die drei Illustratoren Melchior Hochuli, Maurice Steiner und Dominik Rüegg die Namen der 31 gestern bekanntgegebenen Künstler und Bands auf eine Stellwand gemalt. Bei der Arbeit im Open-Air-Hauptquartier in der Nähe des Bahnhofs St. Fiden konnte ihnen jeder über die Schultern schauen: Die Aktion wurde im Livestream auf dem Youtube-Kanal übertragen.

Diese Aktion kann man durchaus als Symbol deuten: Das Programm richtet sich in erster Linie an die Generation, die Musik auf Youtube oder Streaming-Diensten wie Spotify konsumiert. Oder anders gesagt: Es ist ein junges Programm für ein junges Publikum. «Ältere» Besucher, also solche über 30 Jahre, finden hingegen wenige Bands, mit denen sie aufgewachsen sind.

Frisches, aber kein sehr gutes Programm

Trotz des Fehlens von Veteranen: Insgesamt ist es ein gutes, weil abwechslungsreiches und frisches Programm – aber eben kein sehr gutes. In der Breite präsentieren die Verantwortlichen eine bunte Mischung aus Newcomern und etablierten Künstlern, stilistisch breit gefächert und angereichert mit einigen Perlen. Zur Spitze hin fällt das Programm allerdings etwas flach aus. Nebst den Toten Hosen, die 2012 erstmals am Open Air St. Gallen spielten und schon länger als Headliner bekannt waren, kommen Biffy Clyro, Justice, Bastille, Alt-J oder Beginner ins Sittertobel. So interessant die Genannten auch sein mögen: Für den «Oberbau» ist das etwas mager. Diesem würde die eine oder andere zusätzliche tragende Säule guttun.

Dennoch: Mit Alt-J kommt eine der spannendsten Indie-Bands der vergangenen Jahre ans Open Air St. Gallen. Gut möglich, dass sie ihr drittes Album im Gepäck dabeihaben wird. Erst kürzlich hat das britische Trio Bilder von Aufnahmen in den Abbey-Road-Studios auf Ins-tagram geteilt. Auch Justice haben mit ihrem Ende 2016 veröffentlichten dritten Album bewiesen, dass sie so faszinierend sind wie 2008, als sie zu den heissesten Acts des Elektrorock-Revivals gehörten und das Sittertobel zum Beben brachten.

Im «Mittel- und Unterbau» finden sich ebenfalls einige interessante Künstler wie Lorde, Glass Animals, The Lemon Twigs, Voodoo Jürgens, Bilderbuch oder das Goldacher Elektro-Duo Soda. Für Liebhaber lauter Gitarren ist das diesjährige Programm hingegen eher magere Kost: Mit Biffy Clyro kommt zwar eine der angesagtesten Rockbands ans Open Air St. Gallen, allerdings ist es bereits der dritte Auftritt der Schotten im Sittertobel in den vergangenen sieben Jahren. Catalyst, Gewinner der letztjährigen Austragung des Bandwettbewerbs bandXost, sind diesbezüglich eine schöne lokale Ergänzung. «Sperrige» Bands wie Sigur Rós, The Flaming Lips oder The Mars Volta, um Beispiele aus den vergangenen Jahren zu nennen, findet man ebenfalls nicht. Oder noch nicht: 15 Bands werden erst noch bekanntgegeben. «Zwei, drei Leckerbissen» verspricht Christof Huber, Festivaldirektor und Programmverantwortlicher. Diese sollen vor allem das Programm auf der Sternenbühne ergänzen. Headliner kommen keine dazu.

Eine Mischung verschiedener Faktoren

Das Programm ist letztlich immer auch eine Mischung aus dem Wünschbaren, dem terminmässig Erhältlichen und dem finanziell Stemmbaren. Seit dem Einbruch der Plattenverkäufe um die Jahrtausendwende sind die Gagen der Künstler für Liveauftritte regelrecht explodiert – und sie wachsen weiter. In diesem Umfeld – auch unter Berücksichtigung der Festival-Konkurrenz am gleichen Wochenende wie Rock Werchter oder Roskilde – Jahr für Jahr ein Programm zusammenzustellen, das ein möglichst breites Publikum anspricht beziehungsweise möglichst viele Wünsche auch nach «grossen» Namen erfüllt, wird je länger zur Quadratur des Kreises.

Kommt hinzu, dass die Verantwortlichen des Open Air St. Gallen seit Jahren auf eine gesunde finanzielle Basis achten. Die Tatsache, dass die vergangenen paar Austragungen des Festivals jeweils innert kurzer Zeit ausverkauft waren, macht es nicht zu einem Selbstläufer. Auf die Zusammenstellung des Programms habe dies keinen Einfluss, beteuert Huber. «Wir versuchen jedes Jahr, ein möglichst gutes Programm zusammenzustellen. Eine Garantie, dass es ausverkauft sein wird, gibt es nämlich nicht.»

Open Air St. Gallen

Vorverkauf ab 4. Februar, 12 Uhr;

Registrierung im Fanportal zwingend und bis 31. Januar möglich.

www.Open Airsg.ch