Die St.Galler Kantons- und Berufsschulen befinden sich momentan im Fernunterricht. Sie werden aber laut Bildungsdepartement nächste Woche wieder auf Präsenzbetrieb wechseln – ausser der Bundesrat verordne Schulschliessungen. Dafür gebe es aber keine Anzeichen.
Er ist das Schreckgespenst vieler Familien: der Fernunterricht. Die Kinder müssen daheim lernen, die Eltern möglicherweise gleichzeitig daheim arbeiten – nicht überall hat das im vergangenen Frühling reibungslos funktioniert. Je länger die zweite Coronawelle andauert, desto drängender wird deshalb die Frage: Müssen in der Schweiz nebst den Universitäten bald auch weitere Schulen erneut schliessen?
Der Bundesrat hält sich vorerst zurück. Der Entscheid über Fernunterricht liege bei den Kantonen, sagte Gesundheitsminister Alain Berset vergangene Woche. Zugleich hat der Bund allerdings die Kantone aufgefordert, sich Gedanken über weitere Massnahmen zur Vermeidung von Ansteckungen an den Schulen zu machen – falls denn Verschärfungen nötig würden.
Im Kanton St.Gallen befinden sich momentan die Gymnasien und Berufsschulen im Fernunterricht – jedoch nur für zwei Wochen. Die Regierung hatte die Massnahme kurz vor Weihnachten befristet angeordnet, um einem starken Anstieg der Infektionen nach den Feiertagen entgegenzuwirken. Ab nächster Woche können die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II also wieder normal zur Schule – oder? Jürg Raschle, Generalsekretär im Bildungsdepartement, bestätigt: Der Kanton halte am kommunizierten Vorgehen fest. «Die Schulen kehren nächste Woche automatisch zum Präsenzunterricht zurück und sind auf diesen Schritt vorbereitet.» Ausser der Bundesrat überlege es sich anders und übersteuere die Kantone mit einer Anordnung bezüglich Schulschliessungen. Dafür gibt es derzeit laut Raschle aber keine Anzeichen, und es sei kein Anlass dafür ersichtlich.
Somit hat der Kanton St.Gallen momentan nicht die Absicht, das Homeschooling fortzusetzen oder sogar auf die Volksschule auszuweiten. «Fernunterricht ist auf allen Schulstufen fachlich und sozial suboptimal und soll daher wenn immer möglich verhindert werden», so Raschle.
«Je tiefer die Schulstufe ist, desto stärker darf eine Schulschliessung nur Ultima Ratio bei der Bekämpfung von Eskalationen der Pandemie sein.»
Doch da war ja noch die Hausaufgabe, welche die Kantone vom Bundesrat erhalten haben: mögliche weitere Coronamassnahmen für die Schulen zu prüfen. Welche Optionen sieht der Kanton St.Gallen? Raschle kann dazu noch keine konkrete Auskunft geben. Das Bildungsdepartement werde sich in den nächsten Tagen mit seiner Covid-19-Taskforce austauschen, um nachher Vorschläge in die Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) tragen zu können. Der Vorstand der EDK, in welchem auch der St.Galler Bildungschef Stefan Kölliker Mitglied ist, berät dann am kommenden Freitag, welche Antworten er dem Bundesrat unterbreiten will.
Zusätzlichen Auftrieb erhält die Debatte über Schulschliessungen allerdings durch eine ETH-Studie, welche die «Sonntags-Zeitung» publik gemacht hat. Experten der Hochschule haben anhand anonymer Handydaten das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung im vergangenen Frühjahr ausgewertet und analysiert, welche Massnahmen des Bundesrats diesbezüglich am wirksamsten waren. Die Schulschliessungen fielen demnach stark ins Gewicht: Sie bewirkten einen Rückgang der Mobilität um 21,6 Prozent. Noch mehr Einfluss hatten nur das Versammlungsverbot für mehr als fünf Personen (24,9 Prozent) und die Schliessung von Geschäften und Gastronomie (22,3 Prozent).
Über die Ansteckungsgefahr auf dem Schulweg wurde auch im Kanton St.Gallen schon diskutiert. Kantonsschüler hatten im vergangenen Herbst per Petition die Rückkehr zum Homeschooling verlangt. Manche der unterzeichnenden Schüler befürchteten, sich beispielsweise im öffentlichen Verkehr zu infizieren und das Virus dann in ihre Familie zu tragen.
Die Regierung lehnte die Petition ab – und warnte: Zwei Drittel der Mittelschüler hätten im Homeschooling während des Lockdowns im Frühling schlechtere Leistungen erzielt als normal. «Es wird befürchtet, dass bei einer Fortsetzung des Fernunterrichts die Ausbildungsziele insgesamt nicht mehr erreicht werden können.»