EU-Plastikverbot bedrängt Ostschweizer Produzenten

Das EU-Parlament will Wegwerfgeschirr aus Plastik verbieten. Das könnte die Ostschweizer Kunststoffindustrie Arbeitsplätze kosten. Regionale Catering-Unternehmen experimentieren derweil mit ökologischen Alternativen.

Michael Genova
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In der EU bald nicht mehr erlaubt: Wegwerfgeschirr aus Plastik. (Bild: Christian Beutler/Keystone)

In der EU bald nicht mehr erlaubt: Wegwerfgeschirr aus Plastik. (Bild: Christian Beutler/Keystone)

Dies ist ein Artikel der "Ostschweiz am Sonntag". Die ganze Ausgabe lesen Sie hier.

Trinkröhrli, Wegwerfgeschirr oder Rührstäbchen: Diese Dinge könnten schon bald verschwinden. Das EU-Parlament hat diese Woche einem Verbot von Einwegplastik zugestimmt. Ab 2021 will es bestimmte Wegwerfartikel aus Kunststoff aus dem Verkehr ziehen. In der Schweiz ist eine ähnliche Regelung vorerst nicht geplant. Doch das Verbot der Europäischen Union könnten auch Ostschweizer Unternehmen schmerzlich zu spüren bekommen.

Zum Beispiel die SwissPrimePack AG mit Hauptsitz in Altstätten. Das Unternehmen stellt Verpackungen und Deckel für Lebensmittel, Kunststoffbecher für Getränkeautomaten, aber auch Kunststoffgeschirr für Catering-Unternehmen her. «Ein Verbot würde uns treffen», sagt Geschäftsleitungsmitglied Fabrizio Finazzi. Sollte es so weit kommen, rechnet er mit einem Verlust von Arbeitsplätzen. Betroffen wäre vor allem das Werk in Altstätten. Das Unternehmen beschäftigt zurzeit rund 150 Mitarbeitende.

Umsatz in Frankreich könnte einbrechen

Einzelne europäische Länder wie Frankreich hatten bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie Einweggeschirr aus Plastik ab 2020 verbieten wollen. Für die SwissPrimePack ist Frankreich einer der wichtigsten Exportmärkte. Das Rheintaler Unternehmen forscht deshalb mit Hochdruck nach ökologischen Alternativen. Gemeinsam mit der Hochschule für Technik in Rapperswil entwickelt es zurzeit ­einen nachhaltigen Becher. Die Idee: Mit Holzfüllstoff und anderen biologischen Reststoffen soll der Kunststoffanteil möglichst stark reduziert werden.

Das Unternehmen hat in der Vergangenheit auch andere Werkstoffe geprüft. Zum Beispiel Biokunststoff, der aus stärkehaltigen Pflanzen wie Mais oder Zuckerrüben gewonnen wird. Finazzi beurteilt diese Methode jedoch kritisch. Denn dabei würden Rohstoffe verbraucht, die später für die Nahrungsmittelproduktion fehlten.

Von einem Plastikverbot in der Schweiz hält Fabrizio Finazzi wenig. Er sieht auch die Konsumenten in der Pflicht. «Sie müssen die Kunststoffabfälle richtig entsorgen.» Nur so sei sichergestellt, dass möglichst viel Plastik wiederverwertet werde. Das dies funktionieren könne, zeige das Beispiel PET. In der Schweiz liegt die Rezyklierquote von PET-Getränkeflaschen bei über 80 Prozent, obwohl auf die Flaschen kein Pfand erhoben wird.

Trinkbecher aus Bioplastik

Obwohl in der Schweiz zurzeit kein Plastikverbot in Sicht ist, machen sich auch Ostschweizer Catering-Unternehmen Gedanken über ihren Verbrauch von Wegwerfprodukten. Die Egger’s Catering GmbH aus Romanshorn organisiert die Verpflegung in mehreren Ostschweizer Fussballstadien. Seit einigen Monaten testet Inhaber Urs Egger im Stadion in Vaduz Trinkbecher aus Bioplastik, die er mit einem Depot von einem Franken belegt. Nach dem Gebrauch werden die Becher eingesammelt und industriell kompostiert.

Bewähren sich die neuen Becher, will er sie künftig auch in anderen Stadien einsetzen. Im St. Galler Kybunpark verwendet er zurzeit noch solche aus Plastik. Die neuen Ökobecher müssen laut Egger ein gleichwertiger Ersatz sein: So darf etwa das Bier beim Einfüllen nicht übermässig schäumen. Und die Becher dürfen sich nicht plötzlich auflösen, wenn das Getränk etwas länger herumsteht. In anderen Bereichen hat Egger bereits auf nachhaltige Materialien umgestellt. So verwendet er schon länger nur noch Rührstäbchen und Glacelöffel aus Holz sowie Essbesteck aus Metall. Er schätzt, dass noch 5 bis 10 Prozent seiner verwendeten Teller aus Plastik bestehen. Meist nutzt er Geschirr aus Porzellan, das er allerdings abwaschen muss. «Dafür sind die Kunden bereit, 20 bis 30 Rappen mehr zu bezahlen», sagt Egger.

Migros fördert Mehrfachnutzung

Auch die Catering-Services der Migros Ostschweiz organisieren die Verpflegung bei Gross- und Firmenanlässen. Bei Banketten und Buffets komme eigentlich immer Porzellangeschirr mit Gläsern und herkömmlichem Besteck zum Einsatz, sagt Mediensprecherin Natalie Brägger. Bei Grossveranstaltungen wie Open Airs verwende die Migros Teller und Besteck aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Palmblättern oder Maisstärke. Getränke werden an solchen Anlässen in PET- und Pappbechern ausgeschenkt.

«Bei vereinzelten Veranstaltungen nutzen wir Trinkbecher aus Plastik», sagt Brägger. Die Migros unterstütze es, wenn Veranstalter ein Pfandsystem führen, damit alle Materialien fachgerecht entsorgen werden. Auch in anderen Unternehmensbereichen fördere man die Mehrfachnutzung. So sei es zum Beispiel in grösseren Migros-Restaurants und Take-Aways möglich, Mehrwegschalen zu beziehen und wieder zurückzubringen. Zum geplanten EU-Verbot sagt Natalie Brägger: «Wo es sinnvoll ist, ersetzen wir Plastik.» Einen generellen Verzicht auf Plastik erachte die Migros jedoch nicht als zielführend, da alternative Materialien häufig eine schlechtere Umweltbilanz aufwiesen.

Das Plastikverbot der Europäischen Union

Das EU-Parlament hat diese Woche einem Verbot von Wegwerfartikeln aus Kunststoff zugestimmt. Damit folgt es einem Gesetzesvorschlag der EU-Kommission aus dem vergangenen Mai. Im Visier sind Einwegprodukte aus Kunststoff, die in Europa am häufigsten an Stränden und in den Meeren gefunden werden und für die es erschwingliche Alternativen gibt: Plastikteller, Plastikbesteck, Strohhalme, Haltestäbe für Luftballons oder Wattestäbchen aus Plastik. Die Regelung soll bereits ab 2021 gelten. Nach der Abstimmung im Parlament liegt der Ball nun beim EU-Ministerrat, dem Gremium der Mitgliedstaaten.

Umweltministerin Doris Leuthard liess im August verlauten, dass der Bundesrat beim EU-Plastikverbot nicht nachziehen wolle. Er setzt unter anderem auf die freiwilligen Massnahmen der Wirtschaft. Der Branchenverband Swiss Plastics bezeichnet Verbote von einzelnen Produkte als «nicht zielführend.» Stattdessen sollten die Sammelsysteme ausgebaut und die stoffliche Wiederverwertung erhöht werden, heisst es in einer Stellungnahme. (mge)

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