Ohne Willi Marthy wäre Wandern eine Herausforderung. Er hält die Pfade in Schuss – montiert Wegweiser, malt Markierungen und stiftet Orientierung. Eine Aufgabe nicht ganz ohne Hürden.
Diese Vielfalt: Am flachen Seeztal am Ufer des Walensees vorbei schlängelt sich die immer schmaler werdende Strasse von Quarten hoch ins grüne Paradies. In dieser Gegend treffen schneebedeckte Berge auf den 100 Meter tiefen Walensee. Mitten in dieser Umgebung ist jemand, der jeden Stein auswendig kennt. Mindestens jene, die auf einem Wanderweg liegen. Manche pinselt Willi Marthy, Regionenchef der St. Galler Wanderwege, auch an. Sein Job ist es, alle Wanderwege in der Region Sarganserland-Seez zu markieren, damit die Wanderfreunde nicht vom Pfad abkommen.
Oben im Rüedisboden angekommen, riecht die Luft nach Wald und Gras. Hier, oberhalb von Oberterzen, muss der erste Wegweiser ersetzt werden. In schwarzen, geprägten Buchstaben stehen Ort und Wanderzeit auf gelbem Grund. Ein Piktogramm zeigt an: Es gibt ein Restaurant. Auf den neuen Metallschildern sind die Angaben nur noch aufgedruckt. Hergestellt werden sie in Lütisburg und Grabs. Nach ein paar Handgriffen sitzen die Wegweiser auf der Eisenstange. Marthy überprüft, ob die beidseitig bedruckten Tafeln von überall her gut sichtbar sind.
«Ich kann die Wanderungen planen, wie es mir gefällt», sagt der pensionierte Förster über seinen Schönwetterjob. Wandern sei schon lange ein Hobby von ihm. Seit drei Jahren ist der 66-Jährige nun schon Regionenchef. Auf seine 14 ehrenamtlichen Helfer ist er angewiesen – sie laufen jährlich jeden Wanderweg in der Region ab und setzen neue Markierungen.
Die Strahlen der Morgensonne wärmen. Über einen schmalen Pfad geht es mit dem Rucksack bergauf – im Gepäck sind Werkzeug und die nagelneuen Wegweiser. In der linken Hand trägt Marthy die Farbe und Pinsel in einem Holzgestell. Äste knacken unter den Wanderschuhen. «Auf den Steinen ist die Farbe der Verwitterung am stärksten ausgesetzt», sagt er und pinselt drauflos. Gut, dass es trocken ist: Würde es regnen, verliefe die Farbe.
Plötzlich gibt es in einem steilen Waldstück kein Durchkommen auf dem Wanderweg mehr: Hier wurde kürzlich geholzt. Auf einem Baumstrunk ist die weiss-rot-weisse Markierung noch zu sehen. Mit einem Bogen weicht Marthy dem Tannenholz aus – es geht steil über den Waldboden, der Wanderpfad ist mit Baumstämmen und Ästen versperrt. Marthy greift zum Hörer. «Ich wollte fragen, wann ihr hier aufräumt», sagt er zum Förster. Alles klar: In den nächsten Tagen werde das Holz weggeräumt.
Der Holzschlag beschädige manchmal die Wegweiser. Seltener gebe es Vandalen. «Ist der Wegweiser einmal zerkratzt, beginnt er zu rosten und muss ersetzt werden», sagt Marthy. Das ärgert ihn. Es geht weiter aufwärts. Schweissperlen sammeln sich auf der Stirn. Jede Markierung wird kontrolliert. Zivilschutzmitarbeiter sind mit Pickel und Schaufel dabei, einen beschädigten Weg zu reparieren. Für den Unterhalt der Wege sind die Gemeinden zuständig.
«Will man Tiere sehen, ist früh aufstehen Pflicht», sagt der ehemalige Förster. Kuhherden treffen die Wanderer hingegen nicht immer gerne an. Auch im Gebirge gebe es vermehrt Mutterkuhhaltung, diese sei nicht ungefährlich. «Keinesfalls sollte man die Kälber in der Anwesenheit der Mutter streicheln», sagt Marthy. Ideal sei es, wenn die Kühe vom Wanderweg ausgezäunt seien. Ansonsten gilt: Abstand halten. Manchmal begleiten ihn seine Frau oder die Enkelkinder auf einer Tour. «Zu meinen Aufgaben gehören allerdings auch viele administrative Arbeiten.» Der Kontakt mit den Behörden sowie die Materialorganisation nehme mehr Zeit in Anspruch, als er sich vorgestellt habe.
Nachdem Willi Marthy den zweiten Wegweiser montiert hat, verdecken Wolken die Sonne, und der Schatten kühlt wohltuend. Im Gebiet Sarganserland-Seez ist jeder der 300 Wegweiser numeriert und verzeichnet. Marthy bestellt die Wegweiser und verteilt sie an seine pensionierten Kollegen. Sie erhalten als ehrenamtliche Mitarbeiter vom Verein St. Galler Wanderwege einen Stundenlohn von 17 Franken. Die Mitarbeiter mussten einen Kurs belegen: Auf eine einheitliche Markierung der Wege wird Wert gelegt.
Wenn ein Wanderweg verlegt werden muss, ist es an den Regionenchefs, mit den Grundbesitzern in den Dialog zu treten. Das kommt laut Viktor Styger, Geschäftsführer des Vereins St. Galler Wanderwege, zum Beispiel dann vor, wenn ein Grundeigentümer einen Weg teeren lassen will. Er wird dann ersatzpflichtig, und Willi Marthy bemüht sich um die Verlegung. «Auch auf einem Privatgrundstück muss der Wanderweg frei und gefahrenlos begangen werden können», sagt Styger. Auch sei man bestrebt, dass Wanderwege möglichst durch die Natur führen. Gut für Willi Marthy, denn das Erleben der Natur ist es, was ihm bei seiner Arbeit am meisten Freude macht.