Liechtenstein und Tschechien haben diplomatische Beziehungen aufgenommen. Die Vergangenheit beider Länder haben nun Historiker aufgearbeitet. Tschechien ist gegen eine Entschädigung der enteigneten liechtensteinischen Güter.
VADUZ. Zwischen der Tschechoslowakei und Liechtenstein herrschte Eiszeit über Jahrzehnte hinweg. Der Grund dafür waren die Enteignung liechtensteinischer Güter nach dem Zweiten Weltkrieg und die Forderungen Liechtensteins nach einer Entschädigung der konfiszierten Vermögen des Fürstenhauses und anderer Staatsangehöriger. Etwas Tauwetter setzte ein, als Tschechien als Nachfolgestaat der Tschechoslowakei der Europäischen Union (EU) beitrat, wozu auch Liechtenstein als EWR-Mitgliedland seine Zustimmung geben musste.
In der Folge beschlossen das Fürstentum Liechtenstein und die Tschechische Republik die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und die Einsetzung einer unabhängigen Historikerkommission, die 2009 den Auftrag erhielt, die gemeinsame Geschichte der beiden Länder aufzuarbeiten.
Die Historikerkommission hat ihre Arbeit mit der Publikation von sieben Büchern abgeschlossen. Inhalt des achten Bandes, ein Synthesebericht, sind Empfehlungen der Kommission. Liechtensteins Aussenministerin Aurelia Frick hat diesen Bericht bereits am Montag mit ihrem Amtskollegen Jan Kohout in Prag zur Kenntnis genommen. Am Mittwoch informierte sie an einer Medienkonferenz in Vaduz über die Schlussfolgerungen aus dem Abschlussbericht der Historiker. Vollumfänglich wird der Synthesebericht voraussichtlich im Februar veröffentlicht.
Der Historiker Peter Geiger, einer der Vorsitzenden der Kommission, sagte: «Noch heute sind zahlreiche <Erinnerungsorte> in Tschechien vorhanden, die von den kulturellen Aktivitäten des Fürstenhauses Liechtenstein zeugen.» Gerade im Bereich der Kunst und Kultur sowie der Bildung sieht nicht nur die Historikerkommission, sondern erblicken auch die Aussenminister beider Länder wichtige Ansatzpunkte, um die gegenseitigen Beziehungen weiter zu normalisieren und zu verstärken. Auch auf politischer Ebene, versprechen sie sich eine Intensivierung der Zusammenarbeit.
Liechtensteins Regierung schreibt im jüngsten Bericht über die Aussenpolitik, dass mit der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen im Jahr 2009 ein Prozess der Normalisierung der bilateralen Beziehungen begonnen habe: «Aus der zunächst schwierigen Ausgangslage ergeben sich somit für Liechtenstein ganz besondere Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit einem mitteleuropäischen Land, das immer auch sehr bewusst einen eigenständigen Weg geht.»
Diese eigenständige Wegbeschreitung bekam Liechtenstein nach 1945 zu spüren, nachdem es versucht hatte, die in der Tschechoslowakei enteigneten Vermögenswerte zurück- oder entschädigt zu erhalten. Enteignete liechtensteinische Staatsangehörige wurden von der Tschechoslowakei als «Deutsche» eingeordnet. Interventionen, dass liechtensteinische Vermögen als Kapital von Personen von «deutscher Volkszugehörigkeit» zugeordnet würden, verstosse gegen das Völkerrecht, prallten in der Tschechoslowakei und dessen Nachfolgestaaten bisher ab. Beide Länder halten bis heute an ihrer eigenen Sicht fest, wie auch die Kommission feststellt. Die Tschechische Republik hält die Enteignungen als rechtmässig, Liechtenstein vertritt die gegenteilige Auffassung.