ENTKORKT

Ein Walliser Bergwein wie frische Milch Gegen Ende des 20. Jahrhunderts war Alarm im Walliser Winzerdorf Visperterminen. Weil ein kostendeckender Weinbau immer schwieriger geworden war, vergandeten die Rebberge zunehmend.

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Ein Walliser Bergwein wie frische Milch

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts war Alarm im Walliser Winzerdorf Visperterminen. Weil ein kostendeckender Weinbau immer schwieriger geworden war, vergandeten die Rebberge zunehmend. Eine Entwicklung, wie es sie auch anderswo gab, das hier aber war ein Sonderfall: Es ging um den höchstgelegenen Weinberg Europas. Eine solche Superlative einfach so aufzugeben, hielten einige beherzte Einheimische für fatal – gehöre der höchste Weinberg doch ebenso zum Oberwallis wie das Matterhorn.

Gralshüterin des Heida

So schritt man 1999 zur Gründung der Heida-Zunft. Der Name rührte vom Heida-Wein, einer Rarität, die auch als «Perle der Alpenweine» gilt. Schon vor der Zunft-Gründung war mit der Instandstellung von Terrassen und mit Neubepflanzungen begonnen worden, schliesslich kaufte die Zunft frei gebliebene Parzellen. Der oberste Rebstock kam auf 1160 Metern über Meer zu liegen, womit Zweifel am Etikett «höchster Weinberg Europas» endgültig ausgeräumt waren.

In knapp zehn Jahren ist die Heida-Zunft, die morgen ihren Zunfttag begeht, von 29 auf 242 Mitglieder angewachsen, jedes von ihnen ist auf Lebenszeit Besitzer eines Rebstocks. Treibende Kraft in der Heida-Zunft war Pirmin Heinzmann von der St. Jodernkellerei in Visperterminen, einer 1979 gegründeten Genossenschaft. Heinzmann habe sein ganzes Leben dem Heida gewidmet, heisst es in «Die Schweiz entkorkt», die Genossenschaft sei so etwas wie die Gralshüterin des Heida.

Auf nüchternen Magen

Heida ist der lokale Name einer weissen Traubensorte, die in Visperterminen seit langem als Spezialität gilt. Eine andere Bezeichnung ist Païen, je nach Quelle wird sie als verwandt oder identisch mit dem Gewürztraminer bzw. dem Savagnin blanc aus dem französischen Jura angesehen. Die Heida hat kleine, zuckersüsse Beeren, die einen kräftigen Wein liefern, oft mit einem Alkoholgehalt von bis zu 14 Prozent. In guten Jahrgängen trinke er sich «wie frisch gemolkene Milch», besagen alte Dokumente.

F. G. Stebler, Privatdozent der ETH für technische landwirtschaftliche Fächer, nannte den Wein in einer Untersuchung von 1901 einen «gefährlichen Beinbrecher, der die Zunge löst und den Menschen in die glückseligste Stimmung zu versetzen vermag». Ausserdem soll der Heida gut sein «gegen unbequeme Einwohner im menschlichen Leibe»: Morgens nüchtern mit Honig genossen, setze er dem Fremdling so sehr zu, dass dieser für gut finde, auszuwandern. Eine nicht mehr unbedingt zeitgemäss erscheinende Konsumationsanweisung.

Weisswein zum Lagern

Die St. Jodernkellerei hat gleich mehrere Heida-Weine in ihrem Angebot. Neben einem konventionell ausgebauten gibt es einen im Barrique gereiften, ausserdem den «Heida Melodie», eine betörende strohgelbe Version mit natürlicher Restsüsse. Was für einen Weisswein eher untypisch ist: Der Heida, so Chandra Kurt in ihrem eben erschienenen «Weinseller 08/09», ist ein toller Lagerwein. Aus Heida gekelterte Weine hätten viel Schmelz, seien komplex, mächtig und geprägt von Noten exotischer Früchte.

Die St. Jodernkellerei, die auch Trauben von 450 Nebenerwerbswinzern verarbeitet, bietet neben dem Heida auch die lokale Spezialität Resi sowie Walliser Klassiker wie Fendant, Johannisberg, Dôle Blanche oder Pinot noir an. Ihr Dôle ist seit diesem Herbst unter dem Label «Pro Montagna», das Lebensmittel aus Schweizer Berggebieten fördert, auch bei Coop erhältlich.

Beda Hanimann www.jodernkellerei.ch www.heidazunft.ch