«Das ist eine Kapitulation»: Ständerat lehnt Thurgauer Initiative zum Einkaufstourismus ab und spielt auf Zeit

Der Ständerat hat eine Thurgauer Initiative zur Aufhebung der 300-Franken-Freigrenze für Einkäufe im Ausland abgelehnt. Anders als bei früheren Vorstössen zum Thema Einkaufstourismus fiel der Entscheid jedoch äusserst knapp.

Adrian Vögele, Bern
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Die Grenzkantone wehren sich gegen die negativen Folgen des Einkaufstourismus. (Bild: Donato Caspari)

Die Grenzkantone wehren sich gegen die negativen Folgen des Einkaufstourismus. (Bild: Donato Caspari)

Lieber noch ein bisschen abwarten: So entschied der Ständerat am Mittwoch, als er sich – einmal mehr – mit dem Einkaufstourismus befasste. Zur Diskussion stand eine Initiative des Kantons Thurgau, welche die Aufhebung der 300-Franken-Freigrenze für private Einfuhren fordert. Das Resultat wurde mit Spannung erwartet. Denn bislang hatte der Ständerat ähnliche Vorstösse stets deutlich abgelehnt, so auch eine St.Galler Standesinitiative. Dabei hat er das Problem, dass dem Schweizer Detailhandel Milliarden an Einkünften verloren gehen, längst erkannt. Doch bevor man Massnahmen beschliesse, solle der Bundesrat eine Auslegeordnung zum Thema vornehmen, hiess es im Frühling im Ständerat. Dieser Bericht folgte dann im Sommer – und half auch nicht weiter. Der Bundesrat analysierte diverse Möglichkeiten zur Eindämmung des Einkaufstourismus, nur um abschliessend festzustellen, es gebe kein wirkliches Rezept gegen das Phänomen. Auf konkrete Vorschläge verzichtete die Regierung – und schob den Ball wieder dem Parlament zu. Damit war es an der Wirtschaftskommission (WAK) des Ständerats, einen Vorschlag zu machen.

Kommission hofft auf neue Technologien am Zoll

Die Kommission tut sich schwer. Sie hat bislang keinen eigenen Vorstoss lanciert – und empfahl auch die Thurgauer Initiative zur Ablehnung. Begründung: Der administrative Aufwand wäre enorm, zudem wäre die Regelung leicht zu umgehen und ihre Einhaltung kaum kontrollierbar. Ehe man ernsthaft darüber nachdenken könne, an der Mehrwertsteuergrenze zu schrauben, brauche es neue technologische Mittel zur Abwicklung am Zoll.

Brigitte Häberli-Koller, Thurgauer CVP-Ständerätin (Bild: Keystone)

Brigitte Häberli-Koller, Thurgauer CVP-Ständerätin (Bild: Keystone)

Bei Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG) kam die Antwort schlecht an. «Das ist eine Kapitulation», sagte sie auf Anfrage. Wie schon der Bundesrat schiebe nun auch die WAK das Thema einfach vor sich her. «Das geht so nicht. Es muss doch möglich sein, ein Modell zu entwickeln, um das Problem zu lösen», so Häberli. Schliesslich sei bei weitem nicht nur der Thurgau davon betroffen. Die Standesinitiative beklagt nebst den negativen Folgen für den hiesigen Detailhandel auch die Einnahmenausfälle für den Staat bei der Mehrwertsteuer und den massiven Autoverkehr, den der Einkaufstourismus verursache.

In der Ratsdebatte war Häberli mit ihrer Kritik nicht allein. Der Schaffhauser Thomas Minder warnte davor, die Standesinitiative in die «ruhmlose Serie abgelehnter Vorstösse zum Einkaufstourismus» einzureihen. Der Zeitpunkt für die Aufhebung der 300-Franken-Grenze sei ideal – der Zoll befinde sich ohnehin in einer grossen Reform und eine digitale Verzollungs-App existiere bereits.

Noser beschwichtigt und kündigt einen Vorschlag an

Werner Hösli (SVP/GL) ärgerte sich sichtlich über das Argument der Kommission, eine Änderung an der Freigrenze schaffe neue Probleme. «Wenn das die Haltung der Politik ist, dann können wir gleich einpacken.» Es sei jetzt nötig, einen ersten Schritt zu machen. Stattdessen wolle die Kommission einfach nichts tun.

Ruedi Noser, Zürcher FDP-Ständerat. (Bild: KEystone)

Ruedi Noser, Zürcher FDP-Ständerat. (Bild: KEystone)

Die Kommissionsmitglieder Martin Schmid (FDP/GR) und Ruedi Noser (FDP/ZH) wehrten sich gegen diesen Vorwurf. Die Kommission habe die Initiative nicht leichtfertig abgelehnt, sondern sich eingehend mit dem Thema befasst. Noser kündigte an, die WAK werde im Dezember allenfalls einen Vorschlag unterbreiten. «Doch eine Änderung bei der Mehrwertsteuer allein wird das Problem nicht lösen.» Dennoch scheiterte die Thurgauer Initiative am Ende nur äusserst knapp – mit 19 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung.