Der Kanton St. Gallen und die Stadt Rorschach wollen ihr 2008 gestartetes Projekt einer integrativen Quartierentwicklung im Programm «Projet urbain» des Bundes weiterverfolgen.
Rorschach. Der zwischen 1850 bis 1920 gebaute Teil westlich des Rorschacher Stadtzentrums gehört zu den urbansten Flecken im Kanton St. Gallen und erinnert in Strassenbild und Lebensgefühl an innerstädtische Zürcher Kreise oder das Kleinbasel. Kein Wunder, dass just in diesem wenig glanzvollen, aber vitalen Quartier mit seiner mehrheitlich ausländischen, jungen und teils ärmlichen Bevölkerung ein urbanes Zauberwort herumgeistert: «Projet urbain» heisst das vom Bund initiierte Projekt zur Verbesserung der Lebensqualität in Quartieren von elf kleineren Städten. Rorschach ist östlich von Schaffhausen der einzige Ort, der daran beteiligt ist.
Und nach dem baldigen Ende des dreijährigen Testlaufs auch in der zweiten, vertiefenden Phase dabei sein will, wie es gestern in dem projekteigenen Quartierbüro vor Ort hiess. Ob der Bund weiterhin auf Rorschach setzt, entscheidet sich im Spätherbst, der Kanton ist jedenfalls begeistert: Regierungsrätin Kathrin Hilber sprach von einem «Vorzeigeprojekt» und lobte das «Engagement und Herzblut» der Stadt. Das Departement des Innern und das Baudepartement, wollten das Projekt, das ein belastetes Quartier städtebaulich aufwerte und gleichzeitig die Integration fördere, weiterhin fachlich begleiten und finanziell unterstützen.
Die Fachleute Ueli Strauss vom Amt für Raumentwicklung und Ramona Giarraputo vom Kompetenzzentrum für Integration bekräftigten die modellhafte Bedeutung des Projekts für Gemeinden im ganzen Kanton – als Beispiel hier für Siedlungsentwicklung gegen innen anstelle einer drohenden Verslumung, dort für die Stärkung der Selbstverantwortung und des Gemeinwesens, das letztlich die Institutionen entlaste.
Namentlich die – zunächst zaghafte – Mitwirkung der Bevölkerung via die Anlaufstelle des Quartierbüros und Arbeitsgruppen etwa zur Gestaltung des Strassenraums prägen das Projekt; auch die Schule nimmt mit einem Pilotprojekt für die vorschulische Frühförderung daran teil.
«Wir sind alle gespannt, wie das Quartier in zehn Jahren aussieht und lebt», sagte Stadtpräsident Thomas Müller und freute sich über das dank Quartierfest, Strassenfussball und Sprachencafé entwickelte gesellschaftliche Leben: «Früher kannten sich die Leute kaum, heute sprechen sich die Nachbarn mit Namen an.» Jährlich will die Stadt nun eine Quartierstrasse vom Verkehr beruhigen und als Spielfläche gestalten; zudem sind «Pocket-Parks» im Gespräch – wo immer möglich statt eines Einzelhauses ein grüner Begegnungsort. 80 Gespräche mit unterschiedlichst an Verkauf, Sanierung oder Status quo interessierten Hauseigentümern hat die Stadt geführt – ein Hinweis auf die kleinräumige Struktur. Der Weg zum «Trendquartier» sei lang und anspruchsvoll, meinte Müller; «allerdings auch spannender, als auf der grünen Wiese zu bauen», wie ihm Projektleiter Florian Kessler beipflichtete.
Neuerdings investieren Private Hunderte Millionen Franken in spektakuläre Bauten und bestätigen Müllers angestrebten «Turnaround»; die nachhaltige Quartierentwicklung ist da mit seiner halben Million öffentlicher Gelder (50 Prozent Bund, 30 Kanton, 20 Stadt) ein bescheidener Anstoss. Dafür könne sich Rorschach seiner Geschichte bewusst werden, für deren Aufschwung als Industriestadt Migranten sorgten, betonte Regierungsrätin Hilber. Politisch unterschiedliche Interessen am «Projet urbain» blieben leise Andeutung; vom Zerwürfnis mit der anfänglich beteiligten Hochschule für Soziale Arbeit (FHS) war erst recht keine Rede.