Vor 750 Jahren endete eine für die Ostschweiz wichtige Epoche: Konradin und Friedrich Staufer wurden hingerichtet. Das sogenannte Herzogtum Schwaben zerbrach endgültig. In der Ostschweiz eröffnete dies lokalen Dynastien neue Möglichkeiten.
Als Graf Robert von Flandern in den Kerker des Castel dell’Ovo tritt, in dem der Staufer Konradin und Friedrich von Baden-Österreich gefangen gehalten werden, spielen die beiden Jünglinge seelenruhig eine Partie Schach. Als ob es in diesem Moment nicht um ihr Leben ginge! Der Graf, ein Schwiegersohn ihres Todfeindes Karl von Anjou, überbringt den beiden Adligen das Urteil: Tod durch das Schwert! Ob der 16-jährige Konradin und der 19-jährige Friedrich bei diesen Aussichten so ungerührt blieben, wie der Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein es 1784 auf seinem berühmten Gemälde dargestellt hat, ist so mythenhaft wie das angebliche Schachspiel.
Wenn es sich aber so zugetragen haben sollte, dürfte das Testament, das die beiden hinterliessen, kurz danach entstanden sein. Doch, was heisst hier «Testament»? Es sind nicht mehr als zwei kleine Pergamentzettel, auf die ein Schreiber in lateinischer Sprache hastig den letzten Willen der Todeskandidaten gekritzelt hat. «Das einzige Original, das uns von Konradin erhalten blieb», bestätigt der Karlsruher Konradin-Experte Professor Hansmartin Schwarzmaier. Das Testament, das auf den Todestag datiert ist, umfasst diverse Schenkungen und Willensbekundungen und liegt heute im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart.
Noch am selben Tag, am 29. Oktober 1268, steigen Konradin und Friedrich auf dem Marktplatz von Neapel aufs Schafott. «Mutter, welch schmerzliche Nachricht wirst du von mir erfahren», ruft der Staufer noch. Weil der Papst über Konradin und seine Mitstreiter den Bann verhängt hat, werden sie in ungeweihter Erde verscharrt. Erst zehn Jahre später bettet man die Gebeine in die Kirche St. Maria del Carmine in Neapel um. Was dieses Ereignis auch 750 Jahre später für den Thurgau und grosse Teile der Nordostschweiz historisch bedeutend macht: Mit der Bluttat in Neapel endet nicht nur das Leben des Konradins, sondern auch die Staufer-Dynastie, die als deutsche Kaiser und Könige im Hochmittelalter über grosse Teile der späteren Eidgenossenschaft herrschten.
Das Kronland der Staufer war spätestens seit König Friedrich Barbarossa das Herzogtum Schwaben. In dessen geografischen Zentrum lag die Grafschaft Thurgaus sowie der Bischofssitz Konstanz, neben Strassburg, Augsburg und Chur eine der bedeutendsten Städte des Herzogtums (siehe Karte). Zu den Vasallen des Herzogtums gehörten die schweizerischen Gebiete der Grafen von Kyburg, Baden, Lenzburg, Habsburg und Nellenburg. Diese Vormacht des staufischen Königshauses im Gebiet der Schweiz und ihre Herrschaft über die Alpenpässe blieben bis zum Tode von Kaiser Friedrich II. 1250 bestehen.
Wie schon seinem Vater Konrad IV. war es Konradin aber nicht mehr gelungen, die einstige Machtbasis zu erhalten. Konradin wurde am 25. März 1252 nahe Landshut geboren und wuchs mit Friedrich von Baden-Österreich am Hof seines Vormunds in Bayern auf. Weil sein Grossvater, Kaiser Friedrich II. (alias «Das Staunen der Welt»), die Oberhoheit des Papstes über die Christenheit in Frage gestellt hatte, erklärte ihn Innozenz IV. bereits 1245 für abgesetzt. Im folgenden Interregnum, einer Zeit wechselnder Herrschaftsansprüche, hatten die Staufer ihre Vorherrschaft im Reich eingebüsst. Zu dieser Zeit wandten sich auch die verbündeten Kyburger gegen die Staufer und wurden zur Hauptstütze der päpstlichen Koalition auf dem Gebiet der heutigen Schweiz.
Was den Staufern formal zunächst noch blieb, waren das Herzogtum Schwaben und die italienischen Besitzungen. Letztere dem Papst seit langem ein Dorn im Auge. Doch auch in Italien stand die Herrschaft der Staufer auf tönernen Füssen: Eigentlich nur Stellvertreter, hatte sich der letzte legitime Sohn Kaiser Friedrichs II., Manfred, 1258 zum König von Sizilien krönen lassen. Und war damit seinem Neffen Konradin in den Rücken gefallen. Um dem Treiben der Staufer auch in Italien ein Ende zu setzen, nützt der Papst das familiäre Zerwürfnis. 1266 marschiert ein französisches Heer unter der Führung Karls von Anjou von Rom gegen den Staufer. Es kommt bei Benevent zur Schlacht, bei der Manfred fällt. Nun hat Konradins Stunde geschlagen, so meint er zumindest.
Unterstützt von papstkritischen Kräften in Italien, zieht er zunächst – möglicherweise von Meersburg ausgehend – nach Rom. Papst Clemens IV. sucht bei Anjou Schutz. «Einer Rauchwolke gleich wird Konradins Unternehmen vergehen», prophezeit der Pontifex. Und so kommt es auch: Am 23. August 1268 führt Konradin 4500 Männer in die Schlacht gegen den Franzosen. Bei Tagliacozzo treffen sie auf die gegnerische Streitmacht. Die Staufer werden geschlagen. Friedrich und Konradin fliehen, werden auf hoher See aber festgesetzt. Gnade ist nicht zu erwarten. Es kommt zur Hinrichtung.
Mit diesem historischen Ereignis vor genau 750 Jahren ist auch der Machtkampf zwischen Papst und Staufern entschieden. Das schwäbische Adelsgeschlecht ist fortan Geschichte, das Hochmittelalter endet, und mit Rudolf I. steigt im Reich 1273 der Stern der Habsburger auf. Rudolf versucht noch einmal, das Herzogtum Schwaben wiederzubeleben, was misslingt. Dessen endgültiger Untergang sicherte auch den lokalen Dynastien der Ostschweiz eine eigene Zukunft.
Das Regnum Sueviae war ab etwa 911 eines der fünf Stammesherzogtümer im ostfränkischen Reich. Es reichte vom Lech bis zu den Vogesen und von etwa Stuttgart bis in die Alpen, unter Einschluss von Churrätien. Es war im Hochmittelalter eines der bedeutendsten Reichsterritorien nördlich der Alpen.
Als erster Herzog von Schwaben gilt der rätische Burchard I., erst unter seinem Sohn Burchard II. war das Herzogtum aber etabliert. Nachdem zwischen Ende des 10. und Mitte des 11. Jahrhunderts Adelsfamilien an der Spitze des Herzogtums standen, deren Herkunft ausserhalb der heutigen Eidgenossenschaft lagen, ging 1057 die Herzogswürde an Rudolf von Rheinfelden.
Der sogenannte staufisch-zähringische Ausgleich 1098 führte zu einer Neuordnung im süddeutschen und Schweizer Raum. Das Herzogtum blieb von da an in staufischer Hand.
Da es, abgesehen von einem misslungenen Versuch der Habsburger, mit dem Untergang der Staufer erlosch, erwies es sich für die Schweiz als historisch bedeutend, dass ab Mitte des
12. Jahrhunderts die Kyburger und später Habsburger in der Gefolgschaft der Staufer ihre Herrschaftsgebiete erheblich vergrössert hatten. (ts)