Noch zwei Wochen Zeit hat ein Mercedes-Besitzer, der sein Auto vor eineinhalb Jahren bei der Zollstation Diepoldsau abgestellt und nicht mehr abgeholt hat. Die Frist dürfte ungenutzt verstreichen. Laut der Polizei kein Einzelfall.
DIEPOLDSAU. Im Amtsblatt finden sich manchmal Anzeigen, die sich wie Rätsel lesen. Das gilt beispielsweise für eine kürzlich publizierte Verfügung nach dem Strassenverkehrsrecht. Der Besitzer eines grauen Mercedes-Benz wird aufgefordert, seinen Wagen «unverzüglich» abzuholen. Ihm wird noch eine Frist von zwei Wochen eingeräumt. Danach werde das Fahrzeug «einem Autoabbruchunternehmen zugeführt», heisst es dazu in Amtsdeutsch.
Das Auto steht allerdings bereits seit Juni 2012 neben der Zollstation Diepoldsau – samt den EU-Kontrollschildern. Der Halter ist deshalb bekannt: Zugelassen ist der Wagen auf einen 38jährigen Rumänen namens Vasile Teodor Barbalate, wohnhaft in Focsani, Rumänien.
Nur: Wieso lässt jemand seinen Mercedes an der Grenze einfach stehen? Die Anfrage geht zuerst an das Grenzwachtkorps. Schnell zeigt sich: So ungewöhnlich ist ein solcher Fall nicht. Denkbar sei beispielsweise, dass der Fahrer wegen eines Delikts erwischt worden sei und deswegen sein Auto nicht mehr habe holen können, erklärt Andrea Schmid, Sprecher des Grenzwachtkorps in Chur. Ob dies hier aber zutreffe, könne er nicht sagen. Der parkierte Mercedes falle unter die Kompetenz der St. Galler Kantonspolizei.
Bei der Kantonspolizei kennt man die Geschichte des grauen Mercedes. Der Fahrer sei an der Zollstation kontrolliert worden, erzählt Polizeisprecher Gian Andrea Rezzoli. Dabei sei festgestellt worden, dass der Versicherungsschutz fehle. Das Auto musste deshalb «stillgelegt» werden. Es sei ein Bussendepositum verlangt worden. Dafür habe der Mann zu wenig Geld gehabt. Der Wagen wurde deshalb als eine Art Pfand einbehalten. Möglicherweise war er aber sogar weniger wert als die verlangte Busse. «Es ist ein Schrottwagen», sagt Rezzoli. Der Mann habe angegeben, den Mercedes kurz zuvor in Rom gekauft zu haben. Was er damit wollte, ist nicht bekannt. Allenfalls wollte er das Auto in Rumänien weiterverkaufen und sah darin nun kein Geschäft mehr. Jedenfalls lässt sich aus der Vorgeschichte schliessen, dass der Wagen wohl bald in einer Shredderanlage landen wird.
Jedes Jahr gibt es im Kanton St. Gallen fünf, sechs Fälle, in denen Autos einfach irgendwo abgestellt werden. «Auch schon auf dem Pannenstreifen der Autobahn», weiss der Polizeisprecher. Die Halter sparen sich die Fahrt zum Schrottplatz und die Entsorgungskosten. Die Ermittlung des Besitzers anhand der Fahrzeugnummer sei aufwendig und teilweise schwierig, weil die Angaben nicht aus allen Ländern erhältlich seien, erklärt Rezzoli. In Fällen wie dem Mercedes in Diepoldsau bleibe irgendwann nichts anderes übrig, als eine Anzeige im Amtsblatt zu schalten und später den Abtransport zu organisieren.