Kantonale Vorlagen
Die St.Gallerinnen und St.Galler sagen Ja zum Kinderbetreuungsgesetz und zu den Coronakrediten – die beiden Vorlagen sind unbestritten

Günstigere Kinderbetreuungstarife und Coronanotkredite für die Wirtschaft: Die Stimmberechtigten des Kantons St.Gallen befürworten mit 61 Prozent Ja-Stimmen das neue Kinderbetreuungsgesetz. Noch deutlicher – mit 77 Prozent Ja-Stimmen – genehmigen sie die Coronakredite.

Michael Genova
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Die St.Galler Stimmberechtigten genehmigen das neue Kinderbetreuungsgesetz: Fünf Millionen Franken stellt der Kanton zur Verfügung, um die Eltern finanziell zu entlasten.

Die St.Galler Stimmberechtigten genehmigen das neue Kinderbetreuungsgesetz: Fünf Millionen Franken stellt der Kanton zur Verfügung, um die Eltern finanziell zu entlasten.

Bild: Monika Skolimowska

Die St.Gallerinnen und St.Galler sagen Ja zum neuen Kinderbetreuungsgesetz und zu den Coronakrediten für die Wirtschaft. Die beiden kantonalen Vorlagen waren an der Urne unbestritten.

Kinderbetreuungsgesetz

Das neue Kinderbetreuungsgesetz wurde mit 61 Prozent Ja- zu 39 Prozent Nein-Stimmen deutlich angenommen. Die Stimmbeteiligung lag bei 44 Prozent. Künftig wird der Kanton St.Gallen Familien, deren Kinder eine Kita oder einen Hort besuchen, finanziell stärker entlasten. Fünf Millionen Franken sollen jährlich direkt oder indirekt an Eltern fliessen.

Laura Bucher, Vorsteherin des St.Galler Departementes des Innern.

Laura Bucher, Vorsteherin des St.Galler Departementes des Innern.

Bild: Ralph Ribi

Die St.Galler Regierungsrätin Laura Bucher zeigt sich erfreut über das Abstimmungsresultat. «Ich bin überzeugt, dass ein gutes Betreuungsangebot zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beiträgt.» Das klare Ergebnis zeige, dass die Bevölkerung den Handlungsbedarf sehe, und die Regierung auf dem richtigen Weg sei. Die fünf Millionen Franken würden nun dazu verwendet, die Elterntarife zu senken. Der Kanton St.Galllen habe im Bereich der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung Nachholbedarf.

Nach der heutigen Annahme des neuen Kinderbetreuungsgesetzes wirft Innenministerin Bucher bereits einen Blick in die Zukunft: Es werde sich nun zeigen, ob die fünf Millionen Franken auch grundsätzliche Impulse bei den St.Galler Gemeinden auslösen werden, sagt sie. Zum Beispiel, dass die Gemeinden ihr Kinderbetreuungsangebot ausbauen und selber zusätzliche Subventionen leisten werden. «Ein gutes Betreuungsangebot ist wesentlich für die Standortattraktivität und zentral für die Bekämpfung des Fachkräftemangels», so Bucher.

In 12 der 77 St.Galler Gemeinden wurde das Kinderbetreuungsgesetz allerdings abgelehnt. Vor allem ländliche Gemeinden waren gegen die Vorlage. Darunter Niederbüren mit einem Nein-Stimmenanteil von 60 Prozent oder Eichberg, wo 54 Prozent das neue Gesetz ablehnten.

IHK, SP und CVP sind erfreut

Erfreut über die Annahme des Gesetzes äussert sich die Industrie- und Handelskammer St.Gallen Appenzell (IHK), die im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Region grossen Handlungsbedarf sieht. Mit den kantonalen Beiträgen werde nun eine zielgerichtete Massnahme eingeführt, heisst es in einer Mitteilung. «Durch eine Stärkung der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung kann auch die Arbeitsmarktpartizipation erhöht werden», sagt IHK-Direktor Markus Bänziger. Dies sei angesichts der zu erwartenden demografischen Entwicklung nötig.

Die St.Galler SP spricht in einer Mitteilung von «einem guten Tag für die Solidarität» im Kanton. Mit dem Ja zu den Förderbeiträgen würden die fünf Millionen Franken gezielt in die Senkung der Tarife und in die Schaffung und Verbesserung des Kinderbetreuungsangebots investiert, sagt SP-Präsident Max Lemmenmeier. «Das ist sinnvoll, zukunftsweisend, klug – aber auch dringend nötig.» St.Gallen hinke im interkantonalen Vergleich mit hohen Kosten und einer unterdurchschnittlichen Angebotsdichte nach.

Ins gleiche Horn stösst die St. Galler CVP, die sich hoch erfreut über die klare Zustimmung zum Gesetz zeigt. Die Vorlage sei Bestandteil des st.gallischen Steuerkompromisses, bei dem die CVP massgeblich mitgewirkt habe.

St.Galler Eltern zahlen zwei Drittel der Betreuungskosten selber

Mit dem neuen Gesetz will der Kanton St.Gallen attraktiver für Familien werden, die zurzeit zwei Drittel der Kinderbetreuungskosten selber bezahlen müssen. Andere Kantone investieren deutlich mehr in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. So sind Eltern in der Westschweiz mit rund einem Drittel der Kosten deutlich weniger belastet.

Auch beim Versorgungsgrad hat der Kanton Nachholbedarf. Auf 100 Kinder kamen im Jahr 2008 sechs Vollzeitplätze in Kitas. Im schweizerischen Durchschnitt ist der Versorgungsgrad fast doppelt so hoch. In den Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt haben 26 bis 29 Prozent der Kinder im Vorschulalter einen Betreuungsplatz garantiert. Im Kanton St.Gallen liegt dieser Wert bei 7 Prozent.

«Historischer Steuerdeal»

Das neue Kinderbetreuungsgesetz ist Teil des kantonalen Steuerdeals aus dem Jahre 2017. Ziel war es, dass nicht nur Unternehmen von tieferen Unternehmenssteuern, sondern auch Familien profitieren sollen. Im Kantonsrat war der Kompromiss unbestritten. Im Vorfeld sprachen die grossen St.Galler Parteien in einer gemeinsamen Pressemitteilung von einer «historischen Einigkeit».

Zurzeit ist noch unklar, wie stark für einzelne Familien die Betreuungstarife sinken werden. Die St.Galler Regierung geht davon aus, dass die reservierten fünf Millionen Franken rund sechs bis sieben Prozent sämtlicher Kosten der Kinderbetreuung im Kanton entsprechen. Um diesen Prozentsatz könnten sich im Durchschnitt die Kostenlast der Eltern reduzieren. Allerdings steht Gemeinden mit weniger ausgebautem Angebot mehr Geld pro Platz zur Verfügung.

Coronakredite

Noch deutlicher als das Kinderbetreuungsgesetz hat die St.Galler Bevölkerung die Coronanotkredite des Kantons gutgeheissen. Mit 77 Prozent Ja- zu 23 Prozent Nein-Stimmen sagte die Stimmbevölkerung Ja zum Kreditprogramm im Umfang von 50 Millionen Franken. Die Stimmbeteiligung lag bei 44 Prozent. Damit legitimiert das Stimmvolk nachträglich das bereits im April eingeführte Unterstützungsprogramm für die Wirtschaft.

Marc Mächler, St.Galler Finanzchef

Marc Mächler, St.Galler Finanzchef

Bild: Anna Tina Eberhard

Für den St.Galler Finanzchef Marc Mächler ist die hohe Zustimmung ein Zeichen dafür, dass die Bevölkerung Verständnis für das per Dringlichkeitsrecht eingeführte Coronawirtschaftspaket hat. «Es ist schön, dass die Bevölkerung dies im Nachhinein so goutiert hat», sagt er. Dies sehe man auch daran, dass die Vorlage in allen 77 St.Galler Gemeinden angenommen wurde.

Während des Lockdowns im März stellte der Bundesrat Kredite und Solidarbürgschaften für Unternehmen bereit. Sie sollten verhindern, dass kleinen und mittleren Unternehmen das Geld ausgeht. Der Kanton St.Gallen ergänzte das Bundesprogramm mit einem eigenen Kreditpaket für Firmen, welche die Bundeshilfe bereits ausgeschöpft hatten. Dafür stellte die Regierung ab April 45 Millionen Franken bereit. Weitere fünf Millionen Franken sind speziell für Start-ups gedacht. Bisher wurden die kantonalen Notkredite noch nicht ausgeschöpft. Das Finanzdepartement rechnet mit Auszahlungen im Umfang von drei Millionen Franken. Die Firmen müssen die Kredite innert fünf Jahren zurückzahlen.