«Die Stadt nicht kaputtmachen»

Arbon dürfe das Ortsbild von nationaler Bedeutung nicht länger schutzlos den HRS-Stadtentwicklern überlassen. Zwei Mitgliedern der Ortsbildkommission gehen die wirtschaftlichen Interessen zu weit. Sie fordern Korrekturen.

Max Eichenberger
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Kritiker der HRS-Stadtplanung in Arbon: Kurt Sonderegger und Peter Rüegger von der Ortsbildkommission vor dem Metropol. (Bild: Max Eichenberger)

Kritiker der HRS-Stadtplanung in Arbon: Kurt Sonderegger und Peter Rüegger von der Ortsbildkommission vor dem Metropol. (Bild: Max Eichenberger)

ARBON. Der 68jährige Kurt Sonderegger ist ein Ur-Arboner und in der Stadt verwurzelt. Als Architekt hat er sich als Restaurator von geschichtsträchtigen Häusern über Arbon hinaus einen Namen geschaffen. Ihm liegt die Stadt am Herzen. Darum engagiert er sich seit Jahren auch in der Ortsbildkommission. Bei baulichen Eingriffen, die schützenswerte Bauten oder Häuserzeilen betreffen, wird sie beigezogen. «Die Mitglieder werden mit den Baugesuchen bedient, wir schauen sie an, diskutieren und geben unsere Stellungnahme ab.» Die Kommission hat als beratendes Gremium nur ein Antragsrecht. Mitentscheiden darf sie nicht, ebenso wenig der Bauverwalter und die Denkmalpflege. Das tut der Stadtrat.

Nur wirtschaftliche Interessen?

Auf einiges ist Sonderegger stolz, was in Arbon bewahrt und neu gestaltet worden ist – wo es auch keine konträren Standpunkte gab. Anderseits bereitet ihm und Peter Rüegger, ebenfalls Mitglied der Kommission, Sorge, wie sich das Ortsbild im Städtebaufieber verändert. «Wir stellen fest, dass die wirtschaftlichen Interessen überhand nehmen.» Auch, dass Arbon Gefahr läuft, Errungenschaften zu verspielen. «Es darf nicht sein, dass wir die letzten Grünflächen noch total verbauen. Wir sind das unseren Vorgängern und Vorfahren schuldig.» Dabei denkt Sonderegger vor allem an das Land am See zwischen Bahnhofstrasse und Seeufer mit dem «Metropol» – aber auch an die Ensembles im Areal des Saurer WerkZwei, die im Gestaltungsplan teilweise aufgebrochen worden sind. «Wir dürfen nicht kurzfristig denken, Steuergelder generieren und die ganze Stadt kaputtmachen.»

Südlich des «Metropol» am See ist durch Bauten schon ein Riegel entstanden. Beim «Metropol» selber sei ein isolierter Gestaltungsplan angesagt, der noch einen drauf setze und auch nicht abgestimmt sei auf die Planung im WerkZwei, kritisieren die beiden Architekten Sonderegger und Rüegger. Das HRS-Überbauungsprojekt «Riva» mit den beiden geplanten Wohntürmen klotze den letzten Grünstreifen weitgehend zu. Im Bau seien gegenüber dem Bahnhof bereits zwei weitere HRS-Häuser. So schaue man in Blickrichtung See dann auf ein «Häusermeer».

Nicht der erste Sündenfall

«Wir brauchen nicht eine Stadt mit Hunderten von zusätzlichen Einwohnern, wir müssen auch noch Grünflächen und etwas vom See haben.» Bis vor zehn Jahren sei das gegeben gewesen in der Arboner Bucht – einst mit den Hotels Baer au Lac und Steiert, dem Lehrlingsheim. Das spätere Saurer-Ersatzteillager sei kaschiert worden mit der Kastanienallee. Gemäss Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (Isos) sei die Zone zwischen See und Bahnhofstrasse ein wichtiger Erholungsraum von Arbon. Schon die im Bau befindlichen Häuser am See wie auch die vor acht Jahren bereits durch HRS erstellte Überbauung Seepromenade hätten nach Ansicht Sondereggers nie bewilligt werden dürfen.

Wohntürme schiessen übers Ziel

Die Überbauung «Riva» mit zwei 40 Meter hohen Wohnhäusern anstelle des «Metropol» dürfe am vorgesehenen Ort nicht sein, fordern die beiden Kommissionsmitglieder. «Solche Projekte gehören ins Zentrum des Areals Saurer WerkZwei und nicht vorne an den See.» Darum sei der Gestaltungsplan entsprechend neu anzupassen. Sonderegger und Rüegger berufen sich dabei auch auf das Isos, worin es heisse, die Uferpartie dürfe «keinesfalls verdichtet werden». Das «Riva»-Projekt widerspreche diesem Grundsatz. Nur eine «Fensterparzelle» zum See vom Bahnhof her genüge für den neuen geplanten Stadtteil hinter den Gleisen nicht, hält Sonderegger eine Gesamtschau mit Korrekturen dringend für nötig.

Die 40 Meter hohen Zwillings-Wohntürme widersprechen Sonderegger zufolge den Schlussfolgerungen einer Hochhausstudie (Feddersen & Klostermann) über das ganze Gemeindegebiet, die der Stadtrat in Auftrag gegeben hatte. Damals ging es um die Beurteilung einer Baustudie «Breitehof», dem früheren Forster-Areal. Die ursprünglich skizzierte Variante ist dort – weil zu himmelsstürmend – vom Tisch. Denn die Studie kommt zum Schluss, dass kein Haus in Arbon höher sein dürfte als 28 Meter.

Aus all dem folgern die Ortsbildexperten: Der Stadtrat müsste über seinen Schatten springen und einsehen, dass es nicht nur um finanzielle Aspekte und wirtschaftliches Denken gehen kann. Vorne am See sähen Sonderegger und Rüegger primär den Erhalt des «Metropol». Es sei «ein seltener Zeuge der qualitätvollen Hotelarchitektur der frühen Sechzigerjahre», in vielen Publikationen gewürdigt. Alternativ käme höchstens ein «leichterer Bau» als die «Riva»-Türme in Frage. Bauten mit dieser Dimension seien nicht am See, sondern im Zentrum des Saurer-Areals eher am richtigen Ort.

Versäumnisse der Stadt

Über ganze Gebiete seien Investoren-Wettbewerbe ohne wichtige Grundlagen durchgeführt worden, kritisieren die beiden. Die Stadt habe Entscheide für den Einzelschutz von Gebäuden versäumt. Zwar sei der Gestaltungsplan gültig. «Aber man kann nicht einfach Gebäude eliminieren, auf die im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz mit Nachdruck hingewiesen wird.» So würden Teile aus den Ensembles im WerkZwei herausgerissen (wie Webmaschinenhalle/Zentrallager; Presswerk/Zwischenhalle/Kopfbau). Besser wäre es von Anfang an gewesen, einen städtebaulichen Wettbewerb auszuschreiben.

Modell der «Neuen Stadt» im Saurer WerkZwei. Oben, am Seeufer, die Überbauung Seepromenade, die beiden im Bau befindlichen Häuser am See und der Metropol-Neubau «Riva». (Bild: pd)

Modell der «Neuen Stadt» im Saurer WerkZwei. Oben, am Seeufer, die Überbauung Seepromenade, die beiden im Bau befindlichen Häuser am See und der Metropol-Neubau «Riva». (Bild: pd)