ST.GALLEN. Das OpenAir St.Gallen versinkt nicht nur im Schlamm, sondern auch in einer Datenflut. Weil die Festivalbesucher mittlerweile fast ständig online sein wollen und immer grössere Datenmengen verschicken, müssen die Anbieter die Infrastruktur auf dem Gelände massiv aufrüsten.
Die 37. Ausgabe des OpenAir St.Gallen ist zum einen ein riesiges Schlammfest. Am Samstagmorgen mussten die Veranstalter einen Schneepflug einsetzen, um die Schlammmassen von der Strasse zu bekommen. Zum anderen avanciert das Festival zu einem regelrechten Social-Media-Event. Smartphones sind omnipräsent, die Besucher brauchen sie nicht nur zum Telefonieren und SMS schreiben. Sie fotografieren sich gegenseitig, filmen während den Konzerten und stellen sämtliches Material auf Facebook oder teilen ihren Freunden via WhatsApp mit, was sie gerade erlebt haben. Die heutige Generation funktioniert nach dem Motto «Pix it or it didn't happen» – sie muss alles sofort mit einem Bild oder Video beweisen.
Netzkapazität vervierfacht
Beim Swisscom-Stand liessen bis am Samstagmittag weit über 4000 Festivalbesucher ihre Handys gratis aufladen. Carmen Henny, eine Kundin, meint: «Ohne Natel finde ich meine Freunde nicht mehr.» Um die ungeheuren Datenmengen bewältigen und eine gute Mobilfunkabdeckung bieten zu können, müssen die Anbieter kräftig in die Infrastruktur investieren. Swisscom, Orange und Sunrise haben ihre Antennen rund um das Festival-Gelände aufgerüstet, zudem installierten sie mobile Antennen im Sittertobel. Swisscom, die erstmals LTE einsetzt, steigerte die Kapazität im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent, Sunrise hat die Netzkapazität laut eigenen Angaben gar vervierfacht.
Facebook als wichtigster Kanal
Die Datenvolumen nehmen allgemein rasant zu. Gemäss der Orange-Mediensprecherin Therese Wenger gibt es in der Schweiz alle zwölf Monate eine Verdoppelung. Social-Media-Experten erklären das Phänomen: «Grossanlässe wie das OpenAir St.Gallen werben in eigener Sache intensiv über soziale Medien», sagt Martin Hermida vom Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich. Zudem informierten sich die Besucher über soziale Medien, wer ebenfalls ans Festival gehe. Das führt dazu, dass sie auch am Festival selber oft über soziale Medien kommunizieren. Über Facebook tritt auch das OpenAir selber in Kontakt mit den Festivalgängern. OpenAir-Mediensprecherin Sabine Bianchi bestätigt: «Facebook ist für uns heute der wichtigste Kanal, um mit den Besuchern zu kommunizieren.»
Festival verliert an Exklusivität
Christian Hoffmann vom Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St.Gallen sagt: «Online-sein ist für Junge fast deckungsgleich mit Auf-Facebook-sein.» Durch das Heraustragen der Bilder und der Musik verliert das Festival auf der einen Seite an Exklusivität. Auf der anderen Seite entsteht ein grosser Werbeeffekt. Studien deuten zudem an, dass die Aufmerksamkeit, die Bindung der Besucher zu einem Konzert oder einem Festival noch grösser ist, wenn sie aktiv Videos aufnehmen und diese weiterleiten können. Die Mobile-Anbieter werben damit, immer und überall schnellere Verbindungen bieten zu können. «Das weckt bei den Kunden Erwartungen, sie wollen die Angebote dann auch nutzen», sagt Hermida. Die Anbieter müssen sicherstellen, dass die riesigen Datenmengen auch verschickt werden können, sonst sind die Nutzer unzufrieden.
Der wohl simpelste Grund für die immer intensivere Nutzung von sozialen Medien – auch an Festivals – ist wohl die Selbstdarstellung. «Jeder möchte sich auf seinem Facebook-Profil in diesem Sinne selber vermarkten», sagt Hoffmann. Je interessanter sich jemand darstellt, desto besser kommt er an. Hoffmann: «Vereinfacht gesagt ist das Motiv Eigenwerbung.»