Mögen da und dort Guggen aufhören oder Maskenbälle für immer verschwinden: Die fünfte Jahreszeit hat einen festen Platz im Kalender vieler Ostschweizer. Doch auch sie ist dem Wandel der Zeit unterworfen.
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Noch bevor die «Röllelibutzen» am 28. Februar die Altstätter Fasnacht eröffnen, feiern sie heute ihr 100-Jahr-Jubiläum: Dazu laden sie Gruppen aus ganz Europa zum Brauchtumstreffen ein. Doch ausserhalb der Rheintaler Hochburg befürchtet man mancherorts den Niedergang der Fasnacht – Guggen sterben, Maskenbälle und Umzüge verschwinden. Doch ein Nachfragen zeigt: Die Fasnacht stirbt nicht, sie wechselt nur manchmal ihr Kostüm.
Bettina Brauchlis erster Katerball liegt 41 Jahre zurück. «Das war noch ein richtiger Maskenball. Heute weiss man gar nicht mehr, was das war.» Maskiert waren nur die Frauen, um Mitternacht fielen die Masken. «Da gab es einige Überraschungen.» Aber die Zeiten änderten sich am Rickenbacher Katerball: Bald kamen auch die Männer verkleidet, die Demaskierung fiel weg. Gesellschaftstänze wie Tango oder Rock’n’Roll gerieten in Vergessenheit. «Gerade in den letzten 15 Jahren hat sich der Ball massiv verändert», sagt Brauchli, seit 20 Jahren im OK des einst grössten Maskenballs der Ostschweiz.
Verändert hat sich auch die Fasnacht selbst. «Früher gab es eine Handvoll Guggen», sagt Brauchli. Heute dominieren sie das Fasnachtsgeschehen. «Und der Katerball ist mehr Party.» Mit immer weniger Erfolg. Statt drei Räumen gibt es am 28. Februar nur noch einen Saal. Es wird wohl der letzte Katerball, sagt Brauchli. Für die drei Rickenbacher Vereine, die ihn seit 1960 organisieren, ist er unterdessen mehr Last als Lust. «Klar bin ich traurig, wenn eine Tradition verschwindet. Aber traurig ist auch, wenn man so viel chrampfet, und dann kommen nur wenig Leute.»
Fasnachtssterben? In Mosnang ist davon nichts zu spüren. «Wir hatten schon immer einen der grössten Maskenbälle der Region», sagt Alex Forrer, Präsident der IG «We Love Fasnacht». Doch eine richtige Fasnacht braucht mehr als nur eine Party, weiss Forrer. So trieb er die neue Mosliger Fasnacht voran. Dieses Jahr findet sie zum dritten Mal statt. Umzug, Kinderfasnacht, Beizenfasnacht samt Schnitzelbänken gehören dazu. Und wie es sich gehört, übernehmen die Narren in Form des «Mosliger Dreigestirns» die Macht in der Gemeinde. Das neue Konzept hat Erfolg. Am Umzug haben sich dieses Jahr 51 Gruppen angemeldet, so viele wie noch nie. «Mehr wird schwierig», sagt Forrer.
«Wir wollten damit eine Bewegung starten.» Dass das eine IG nicht allein stemmen kann ist klar. Die Schule, die Gemeinde, Guggen wie Beizen machen mit. Etwas Überzeugungsarbeit habe das schon gebraucht, sagt der Obernarr. «Aber wir haben Glück in Mosnang. Wenn das Dorf einmal von etwas überzeugt ist, dann machen alle mit.» So stellte die Gemeinde letztes Jahr den grössten Adventskalender der Schweiz auf. Ähnlich hoch zielen die Mosliger in der fünften Jahreszeit. Die Vision: «Wir wollen ein Leuchtturm der Fasnacht werden», sagt Forrer. «Nach Luzern und Basel sollen bald wir kommen.» Immerhin: Mit den «vier schönsten Tagen» ist die Mosliger Fasnacht schon mal länger als die Basler. Da gilt es nur noch, die Ostschweizer Konkurrenz im Rheintal herauszufordern. «Wir arbeiten daran.»
«In der Tendenz sind immer weniger Vereine unterwegs», sagt Andreas Jakob. Vor 18 Jahren trat er den Mörschwiler «Adlerbrüetern» bei, heute ist er Präsident der Vereinigten Guggen St. Gallen. Auch heuer hätten zwei bis drei Gruppen in der Region aufgehört. «Wir haben ähnliche Probleme wie alle Vereine. man will sich nicht mehr fix engagieren.» Oft ist es aber nur der Lauf der Zeit, dass Guggen verschwinden. «Häufig entstanden sie aus einer Gruppe von Kollegen.» Sie wurden zusammen alt – und hörten zusammen auf. «Ander Guggen suchten aber immer gezielt Nachwuchs. Die sind gut unterwegs.»
Guggen wurden in den letzten Jahrzehnten grösser und professioneller. «Als ich angefangen habe, gab es noch kleine Beizen-Guggen. Die sind fast verschwunden», sagt Jakob. Rund 40 Mitglieder seien heute schon eher die normale Grösse. Nicht ganz leicht, genügend Nachwuchs zu finden. Denn falsche Töne gehören nicht mehr zum guten Guggen-Ton. «Instrumente zu lernen, liegt nicht mehr im Trend.» Dabei sei das Interesse an der Fasnacht ungebrochen. Und auch wenn hier und da Anlässe verschwinden, tauchen wieder neue auf – die Arbeit geht den Guggen jedenfalls nicht aus. «Die Tourenpläne der meisten Guggen füllen sich schon ab dem Frühling schnell», sagt Jakob. «Spontane Auftritte liegen kaum noch drin.»
Vampire sind Sagenwesen. Ähnlich sagenhaft war 20 Jahre lang der Rorschacher Vampirball. «Es war jedes Mal wie eine Klassenzusammenkunft», sagt Stefan Hafner von der Event-Time GmbH. «Jeder kannte jeden.» Bis zu 1300 Gäste zog der Vampirball damals an. Doch am schmutzigen Donnerstag 2012 spukten die Vampire zum letzten Mal. Nun will Hafner sie wieder nach Rorschach holen. «Mit dem Schloss Wartensee als Austragungsort ist uns ein genialer Coup gelungen. Wir haben zehn Räume mit Bars, sogar eine Kapelle mit Orgel.»
Ein grosser Aufwand. «Aber dieser Anlass gehört nach Rorschach», sagt Hafner, in die Fasnachtszeit, auch wenn die Guggen fehlen. Denn die Vampir-Night soll sich abheben. «Schöne Kostüme, ohne das übliche Fasnachtstreiben. Guggen gibt es in dieser Zeit überall.» Allerdings: Wer noch keine Tickets hat, muss bis zum nächsten Mal warten. Die Vampir-Night ist schon ausverkauft.